Der Seeadler wird regelmäßig im Landkreis gesichtet. Bisher nutzt das deutsche Wappentier den heimischen Main nur als Reiseroute. Naturschützer hoffen aber, dass der Greifvogel hier einen Stammsitz wählt - wie im Nachbarkreis geschehen.

Sebastian Schanz

Wenn sich seine Majestät in die Lüfte schwingt, gerät das niedere Entenvolk in Aufregung und versteckt sich vor seinem Antlitz hastig im Schilf. Wer jemals einen aufsteigenden Seeadler beobachtet hat, der versteht, warum das Tier einst von Kelten, Griechen, Germanen und Römern als göttliches Symbol verehrt wurde und heute das Bundeswappen ziert.
"Das ist ein riesiges Brett, das in der Luft liegt", sagt Thomas Stahl vom Landesbund für Vogelschutz (LBV). Der Naturkenner hat diesen seltenen Anblick schon mehrfach erlebt. Und zwar hier im Landkreis Bamberg. Im Norden wie im Süden. "Wir haben gerade ein Seeschwalbenbrutfloß ins Wasser gelassen, da ist er drüber", erzählt der Vogelexperte mit strahlenden Augen. "Da lässt du alles stehen und liegen und greifst zum Fernglas, ob du deinen Augen trauen kannst."
Seine Augen haben Thomas Stahl nicht betrogen. Baunach, Rattelsdorf, Oberhaid, Breitengüßbach, Pommersfelden: In den vergangenen sechs Jahren hat der seltene Greifvogel mit einer Flügelspannweite von rund zwei Metern mehrfach entlang des Maines eine Rast eingelegt, bestätigt die Untere Naturschutzbehörde am Landratsamt. Elf qualifizierte Sichtungen haben die Vogelkundler des LBV für diese Zeit protokolliert. Drei Seeadler jagten 2017 an einem nördlichen Baggersee, einer überflog sogar den Kanal in Bamberg. Dazu kommen mehrere royale Gäste in den Nachbarlandkreisen Haßberge und Lichtenfels. In Erlangen-Höchstadt feierten Naturschützer vor drei Jahren sogar ein festes Brutpaar. Ein Küken im ersten, zwei im dritten Jahr: eine Sensation.
So gesehen ist der Seeadler im Kreis Bamberg bereits heimisch, denn das Höchstadter Königspaar überfliegt bei seinen Jagdausflügen ganz selbstverständlich die Landkreisgrenze. Nun hoffen die Naturschützer auch im Bamberger Kreis auf einen eigenen Horst. "Wir versuchen, den Seeadler hier anzusiedeln", bestätigt Bernhard Struck von der Unteren Naturschutzbehörde. Bisher wurden jedoch alle Einladungen ausgeschlagen. Seine Majestät gilt als territorial sesshaft und ist bei der Wahl seines Stammsitzes entsprechend wählerisch. "Wir haben mehrere künstliche Nisthilfen für Großvögel aufgestellt, bisher ohne Erfolg", berichtet Struck. "Wir können nur mit Angeboten arbeiten." Die Ornithologen sehen gute Chancen, dass das scharfe Auge des Seeadlers irgendwann auf das Maintal mit seinen vielen Seen, Auen und naturnahen Flussläufen fällt. Wo genau die künstlichen Horste am Bamberger Main stehen und wo die Naturschützer mögliche Stammsitze erhoffen, behandeln sie wie ein Staatsgeheimnis. Denn Audienzen gewährt der König der Lüfte nicht. Störungen gefährden den Bruterfolg.
Ihr Revier teilen die Tiere auch nicht gerne mit menschlichen Sommerfrischlern - ein Problem, das an den wenigen beliebten Badeseen in der Region freilich immer mitschwingt. Und die Angler? "Der Seeadler ist bei uns hoch geschätzt und sehr willkommen", sagt Alfred Götz, Präsident des Sportfischervereins Bamberg und Umgebung. "Wir sind Naturschützer. Dazu gehört die ganze heimische Vogelwelt." Eine Ausnahme macht Götz dann aber doch - den Kormoran.
"Die Fischer haben gemerkt, dass der Seeadler den Kormoran vertreibt. Dadurch ist eine gewisse Liebe zu dem Vogel entstanden", erklärt Struck. Und auch die Landwirte sehen laut dem Beamten im Seeadler einen Verbündeten gegen die Graugänse, die sich an den Getreidefeldern der Bauern laben.
Die Rückkehr des Königs ist eine Reaktion der Natur auf das neue Umweltbewusstsein der Gesellschaft. 150 Jahre lang galt der Seeadler in Bayern als ausgestorben, nachdem um 1850 das letzte Paar vom weißblauen Himmel verschwand. Jäger und Wilderer schossen die Greifvögel illegal, kontaminierte Jagdreste führten zu tödlichen Bleivergiftungen bei den Aasfressern. Auch ungesicherte Stromleitungen gehören nach wie vor zu den größten Gefahren für die seltenen Tiere. Verschiedene Schutzmaßnahmen wurden eingeleitet. Und sie greifen. Entlang der großen Flussläufe kehren die Vögel heim. Heute leben in Bayern wieder knapp 20 Paare. Deutschlandweit brüten knapp 700 Paare, besonders im Nordosten der Republik.