Zu viel, zu laut, zu schwer: Auch so kann sich das Leben mit Kindern anfühlen. Doch wo bekommen Eltern Hilfe?
Die gute Nachricht zuerst: Jedem, der unter seiner familiären Situation leidet, steht per Gesetz Hilfe zu. Das gilt für Kinder und Jugendliche genauso wie für deren Eltern. Die Schlechte: Um die Unterstützung in Anspruch zu nehmen, ist Eigeninitiative gefragt. Damit die Suche nach dem geeigneten Hilfsangebot auch fruchtet, hilft es zu wissen, wer zuständig ist. Denn im schlimmsten Fall endet ein erfolgloses Bemühen mit dem verzweifelten Gefühl "keiner kann mir helfen."
Keine Hilfe vermittelt
So erging es der Mutter eines Kleinkindes, die sich hilfesuchend an unsere Redaktion gewandt hat und anonym bleiben möchte. Von außen betrachtet, war bei der jungen Frau alles in bester Ordnung: Verheiratet, Eigenheim, regelmäßiges Einkommen, ein Wunschkind. Und trotzdem fühlte sich die Frau mit ihren Unsicherheiten in der Erziehung und den Wutanfällen ihres Kindes überfordert.
Im Familienzentrum Haßfurt empfahl man ihr, die Besuchszeiten für ihr Kind im Kindergarten zu erhöhen. Keine gute Idee für ein Kind, das ohnehin mit dem Trubel einer Kinderbetreuungsstätte überfordert ist. Noch schlechter scheint der Rat, wenn man weiß, dass das Jugendamt oder genauer: der Allgemeine Soziale Dienst (ASD), sehr wohl hätte helfen können - und sich zudem im selben Gebäude befindet.
Diplom-Sozialpädagoge Thorsten Ullrich arbeitet beim ASD und versichert: "Wenn man Kinder hat und wirklich Hilfe braucht, bekommt man die auch." Ullrich und seine neun Kollegen arbeiten nach örtlicher Zuständigkeit, das heißt, der Wohnort entscheidet darüber, welcher Berater dem Ratsuchenden zugeteilt wird. Die freiwilligen Hilfen zur Erziehung sind vielfältig. "Art und Umfang der Hilfe richten sich nach dem erzieherischen Bedarf im Einzelfall", heißt es im Sozialgesetzbuch 8 Kinder- und Jugendhilfe, Paragraf 27. Ullrich konkretisiert: "Dadurch können wir wirklich individuell schauen, was passt."
Luft nach oben
Wenn beispielsweise die Erziehungsberatung vor Ort nicht ausreiche (für eine längerfristige Beratung ist ohnehin die Erziehungsberatungsstelle der Caritas in Haßfurt zuständig), bestehe die Möglichkeit, einen Erziehungsbeistand oder Betreuungshelfer ins Boot zu holen. "Das macht aber erst ab einem Alter von etwa zehn Jahren Sinn. Klassischerweise sind die Jugendlichen 14 bis 16 Jahre alt", präzisiert Ullrich.
Familien mit Kleinkindern, die nicht mehr zurande kommen, empfiehlt der 45-jährige Familienvater die Sozialpädagogische Familienhilfe (SPFH). "Die Familienhilfe ist in der Regel auf längere Dauer angelegt und erfordert die Mitarbeit der gesamten Familie", erklärt Ullrich.
Und wie läuft so etwas ab? "Wenn ich nach ein, zwei Gesprächen bei mir merke, dass die Familie mehr braucht als Beratung und ein gewisser Leidensdruck besteht, biete ich die SPFH an", sagt Ullrich und zieht eine Mappe hervor. Auf den laminierten Seiten werden die Mitarbeiter mit Foto und ein paar Stichpunkten zu ihrer Person vorgestellt. Die Sozialpädagogen arbeiten nicht am Landratsamt, sondern für verschiedene Träger oder sind selbstständig. Der ASD leiht sich die Fachkräfte sozusagen aus.
Die passende Begleitung finden
"Da schaue ich dann zuerst einmal, wer zu der Familie passen könnte", erklärt Ullrich. In den ersten Monaten ginge es dann darum, sich gegenseitig kennenzulernen und Vertrauen aufzubauen. "Nach etwa zwei Monaten machen wir ein Hilfeplangespräch und formulieren die Ziele, die erreicht werden sollen", sagt Ullrich. Und schiebt nach: "Jeder Fall ist anders, jede Familie ist verschieden."
Diese Erfahrung hat auch Irmgard Autenrieth gemacht. Die 56-Jährige gehört zu den Pädagogen, mit denen der ASD bei der Sozialpädagogischen Familienhilfe zusammenarbeitet. Anders als die meisten ihrer Kollegen, ist Autenrieth aber selbstständig und führt (zusammen mit einer Kollegin) eine Praxis in Haßfurt. Dorthin kommen die Mitglieder der zehn Familien, die sie derzeit unterstützt, nur selten. Meist begleitet sie die Familien in deren Heim und empfindet es "als Privileg, hingehen zu dürfen".
Vertrauen ist die Basis
Ihr sei klar, dass es für die meisten Menschen schwierig sei, eine Fremde in ihr Zuhause zu lassen. "Aber ich kann immer nur so gut arbeiten, wie die Familie mich annimmt", führt sie aus. Etwa zwei Jahre lang unterstützt sie die Familien aus dem gesamten Landkreis. Sie verbringt mit jeder von ihnen zwischen acht und 25 Stunden im Monat und versucht, Hilfe zur Selbsthilfe aufzuzeigen.
"Sie müssen nicht machen, was ich vorschlage. Sie sollen ihren eigenen Weg finden und ihr eigener Spezialist werden", betont Autenrieth. Darum sei es ihr auch wichtig, eine "distanzierte Nähe" zu wahren. Denn sie wolle sich zwar "ganz arg" auf das Gegenüber einstellen, aber gleichzeitig nicht Teil des Systems werden. "Wenn ich versuche, die Probleme auszugleichen, ist das nicht der Sinn der Sache", so Autenrieth.
"Eigentlich sind es immer Probleme mit den Kindern", erzählt Autenrieth. Allerdings stelle sich dann schnell heraus, dass die Familie noch ganz andere Themen habe: Finanzielle Sorgen zum Beispiel, Konflikte zwischen den Elternteilen oder Überforderung.
Authenrieth stellt klar: "Eines muss den Familien klar sein: Ich habe keinen Koffer mit Lösungen im Gepäck."