Das ehemalige Raulino-Gartenhaus wird nach aufwändiger Sanierung im April von privaten Mietern bezogen.
Vom Wachküssen aus dem Dornröschenschlaf spricht man, wenn ein Bauwerk nach der Sanierung in neuem Glanz erstrahlt. Sechs Jahre dauerte der Kuss im Falle des einstigen Raulino-Gartenhauses, das heute nur einen Katzensprung von der Konzerthalle entfernt liegt.
Finanzreferent Bertram Felix spricht von einer "extrem anspruchsvollen und komplexen Baustelle, jeder Privateigentümer hätte wohl ein Abrissunternehmen beauftragt". Das Gartenhaus wurde hingegen in aufwendigster Detailarbeit wie aus dem Lehrbuch der Denkmalpflege wiederhergestellt.
Zwerchgiebel im "Schweizer Stil"
Bereits 1985 hatte die Stadt Grundstück und Gebäude erworben, ohne dass in den Folgejahren viel für den Erhalt des Denkmals getan worden wäre. 2012 beschloss der Finanzsenat den Verkauf an die von der Stadt verwaltete Edgar-Wolf'sche Stiftung. Ein Jahr später mussten die ehemalige Tabakscheune und das Gartenhaus infolge starker Feuchteschäden an Dach, Tragwerk und Fassaden sowie einem Grundbruch am Westgiebel notgesichert werden. Baubeginn der Generalsanierung war dann im März 2016.
Die Tabakfabrikantenwitwe Therese Raulino hatte das im Schweizer Stil gestaltete Gartenhäuschen 1850 als ihr Wochenendhaus errichten lassen. Die Gesamtkosten der Sanierung liegen bei 1,25 Millionen Euro davon wurden 410 000 Euro aus Mitteln des Entschädigungsfonds, der Bayerischen Landesstiftung und der Oberfrankenstiftung beigesteuert.
Im Rahmen der Sanierung wurden unter anderem Grundrisse nach historischem Vorbild neu geordnet, die Böden komplett überarbeitet, Fenster anhand der Originalreste als moderne Isolierglasfenster neu gefertigt und Türen restauriert oder nachgebaut. Das stark geschädigte Dachtragwerk musste komplett abgebaut werden, Balken konnten teils erhalten werden, teils wurden sie ersetzt. Als architektonisches Schmuckstück gilt der Zwerchgiebel im "Schweizer Stil". Er wurde komplett abgebaut, statisch gesichert, restauriert und anschließend wieder angebracht.
Zum 1. April 2020 wird das Haus mit 163 Quadratmeter Wohnfläche nach vielen Jahren Leerstand privat an eine dreiköpfige Familie vermietet. "Wir haben Mieter ausgewählt, die eine emotionale Bindung zu diesem Haus hatten und auch die mit dem Denkmal verbundenen Nutzungseinschränkungen akzeptieren", sagt Felix. Und die sich diese Immobilie leisten können. Denn das Raulino-Gartenhaus war gegen Gebot zur Vermietung ausgeschrieben - zum Mindestmietpreis von 1950 Euro kalt. Die tatsächliche Miete liegt laut Finanzreferent "noch einmal einen dreistelligen Betrag darüber". Die Bamberger Allianz hat in diesem Zusammenhang eine Anfrage gestellt, wie der Mietpreis zustande kam, warum er auf Gebotsbasis erhoben wurde, und wie es sich mit Einnahmen und Ausgaben der Wolf'schen Stiftung verhält.
KOMMENTAR von Michael Wehner
Ein Tabubruch
Keine Frage: Wer sich erinnert, wie das Raulino-Haus noch vor wenigen Jahren ausgesehen hat, eine Ruine in einer der beliebtesten Lagen der Stadt, muss dem Ergebnis Respekt zollen.
Hier wurde mit großer Leidenschaft und finanziellem Engagement der Edgar Wolf'schen Stiftung eine Luxussanierung auf die Beine gestellt, wie sie ein privater Denkmalbesitzer kaum bezahlen könnte. Leider mischt sich in die Freude über ein neues Juwel in der Bamberger Denkmallandschaft auch Unbehagen. Denn die Stiftung und die dahinter stehende Stadt tun sich keinen Gefallen, wenn sie eine Wohnung und nichts anderes ist am Ende auch das Raulino-Haus, auf dem Wege eines Höchstgebots vermieten. Was beim Verkauf von Immobilien gang und gäbe ist, die Vergabe an den, der am meisten zahlt, ist bei Vermietungen nicht ohne Grund ein Tabubruch. Man stelle sich nur einmal vor, das Beispiel der Edgar-Wolf'schen Stiftung, deren Stiftungszweck auch die Fürsorge "für Arme" ist, würde Schule machen. Man stelle sich vor, Bambergs zum Glück sehr oft auch sozial gesonnene Vermieter würden sich die Stadt zum Vorbild nehmen und die extreme Marktlage ausnutzend ihre Immobilien, gerne auch Einzeldenkmäler, nur noch an den vergeben, der am meisten zahlt.
Diese extreme Ausprägung des Kapitalismus kann in einer sozialen Stadt niemand gut finden. Auch ein guter Zweck, auch der Denkmalschutz, heiligen nicht alle Mittel. Ganz im Gegenteil. Die Väter des Grundgesetzes haben aus tiefer Erkenntnis heraus den Vorbehalt formuliert, dass Eigentum verpflichtet, dass es dem Wohl der Allgemeinheit zu dienen habe.
Das zu beherzigen hätte auch der Edgar Wolf'schen Stiftung gut zu Gesicht gestanden.
nun man kann es drehen und wenden wie man will, es ist doch ein ganz eleganter kniff, alles was die stadt nicht schultern kann oder will, irgendwie nach irgendwo auszulagern. als da seien beispielsweise die stadtwerke, die betreiben parkhäuser, hallen und flughäfen, vor gar nicht zu langer zeit waren sie auch mit mässigem erfolg in der gastronomie tätig. nun scheint man den quell der stiftungen entdeckt zu haben, welche angezapft werden können, nur die sozilstiftung die zieht die schrauben an, also bei ihren mitarbeitern, aber so was ist ja vernachlässigbar.
Werter @7__9__
Sind´s mer bitte net bös, aber wenn eine Stiftung zur Erhaltung eines ehemaligen Gartenhäuschens in dessen Sanierung 1,25 Millionen Euro investiert und daraus eine Nobelunterkunft mit 163 qm Wohnfläche macht, dann wirft mir das durchaus Stirnrinzeln ins Gesicht. Selbst bei einer Monatsmiete von bleibend 2300 Euro würde es über 45 Jahre dauern, bis sich das amortisiert hätte. Daher erkenne ich immer noch nicht den wirklichen Grund für die Edgar Wolf´sche Stiftung, warum sie so viel Geld in dieses Objekt gesteckt hat.
Aber es geht mich schließlich auch nicht wirklich was an; trotzdem verweise ich mit Verlaub nochmal auf meinen Kommentar vom 19.02.2020. Für die Umsetzung meiner Idee hätte die Stiftung vermutlich sehr viel weniger als 1.250.000 Euro ausgeben müssen und zudem vielen Menschen (allerdings haben die arabische Wurzeln) was Gutes tun können.
Okay, den Nachbarn wahrscheinlich nicht.
Durchblicker, Sie haben es nicht so mit dem Durchblicken, denn Sie können Ertrag und Vermögen nicht unterscheiden.
Der nun durch die Investition gesteigerte Wert der Immobilie ist Teil des Vermögens.
Oha, da habe ich wohl ein paar Silvester zu wenig studiert, um mir stiftungsmäßig den richtigen Durchblick zu schaffen.
So schaut meine Rechnung immer noch aus: Nur noch 46 Jahre und die Stiftung bei dem Objekt geht in die Ertragsphase über.
Aber nur, wenn man nix für den Erhalt ausgibt. Aber das hat ja mit Vermögen nix zu tun sondern es schmälert lediglich den Ertrag. Nun ja ........ Ich hätte die Sanierung und spätere Nutzung trotzdem, wie zweifach erwähnt, gelöst.
Sehr geehrte Herr Wehner,
eine Stiftung kann nur dann - dauerhaft - ihren Stiftungszweck erfüllen, wenn sie auf finanziell gesunden Beinen steht. Es gilt der Grundsatz der Bestandserhaltung.
Dazu ist das Grundstockvermögen in seinem realen (nicht nur nominellen) Wert ungeschmälert zu erhalten. Siehe hierzu Art. 6 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 BayStG.
Ausschüttungen einer Stiftung sind also nur dann möglich, wenn mit den Erträgen zunächst ein Inflationsausgleich beim Grundstock geschaffen wurde.
Würde man so handeln, wie Sie vorschlagen wäre einerseits die Stiftung in ihrem dauerhaften Bestand gefährdet und könnte ihren Stifterwillen dann eben auf lange Sicht nicht mehr erfüllen. Andererseits würden sich der/die Stiftungsverwalter rechtswidrig verhalten.
Diese gesetzliche Vorgaben zu beherzigen, hätte Ihnen beim Verfassen des Kommentars gut zu Gesicht gestanden.
Weitere Informationen zu Stiftungen sind hier abrufbar (pdf, Bestandserhaltung TOP 7.1):
https://www.stmi.bayern.de/assets/stmi/sug/engagement/leitfaden_010117.pdf