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Das „letzte Henkersbeil“ von Staffelstein


Autor: Ramona Popp

LKR Lichtenfels, Freitag, 12. Juni 2020

Im Mittelalter wurden Verbrechen schnell und oft gnadenlos geahndet. Auch in Bad Staffelstein gab es Hinrichtungen.
Stadtarchivarin Adelheid Waschka mit dem angeblichen "Henkersbeil" aus dem Depot des Stadtmuseums Bad Staffelstein. Der "kopflose Reiter" auf dem Wappen im Hintergrund entstand zufällig durch den gewählten Bildausschnitt und erscheint doch irgendwie passend. Der Einsatz eines solchen Beils für Hinrichtungen ist historisch allerdings nicht gesichert.  Foto: Andrea Zimmermann


Todesstrafe und Folter - das erscheint uns so weit weg. Dabei müssen wir nicht in historischen Archiven stöbern, um eine Ahnung davon zu bekommen, wie Strafjustiz einst auch bei uns ausgesehen hat. Straßennamen weisen darauf hin: "Am Galgenberg" in Altenkunstadt, die Hochgerichtsstraße in Lichtenfels oder "Am Hochgericht" in Bad Staffelstein.

In einer Handvoll Orte im Lichtenfelser Raum gab es ein solches Hochgericht, das über Verbrechen urteilte, die Todesstrafe oder schwere körperliche Bestrafung nach sich zogen. Sie sind aus den so genannten Rüggerichten (Zentgerichte) hervorgegangen.

Das waren Schöffengremien unter Vorsitz eines Vogts (landesherrlicher Beamter), die im 13. Jahrhundert bereits regelmäßig tagten, wie Aufzeichnungen belegen.

Profunder Kenner der einstigen Gerichtsbarkeit ist Bezirksheimatpfleger Professor Günter Dippold. In einem Vortrag über die Bamberger Hexereiprozesse beleuchtete er auch Einzelschicksale wie das der 53-jährigen Margaretha Roschlaub, die am 15. Juli 1617 in Staffelstein als angebliche Hexe hingerichtet wurde.

Mit Folter zu Geständnissen

Die Bürgersfrau war dabei beobachtet worden, als sie einen Stoffknoten in ein offenes Grab warf - Magie! -, kam ins Gerede, wurde verhört, gefoltert und am Ende zum Tod durch das Feuer verurteilt.

Ermittlungsverfahren im heutigen Sinne gab es ja nicht. Entweder wurde der Täter auf frischer Tat ertappt, oder es gab Zeugen. Als sicherster Nachweis der Schuld galt ein Geständnis. Und Folter diente als Mittel, um ein solches zu bekommen ... Die aus heutiger Perspektive barbarischen Strafen wurden zum Zwecke der Abschreckung öffentlich vollstreckt. Gleichzeitig demonstrierte eine Hinrichtungsstätte auch die Macht des Ortsherrn, wie Dippold anmerkt.

Tod durch Schwert als "Gnade"

Ein mehrseitiges Protokoll existiert über die Reparatur des Staffelsteiner Galgens 1761. "Verruchte Missetäter" verdienten Züchtigung und Strafe, heißt es darin - als Warnung an diejenigen, die sich "durch böse Gesellschaft" zu einem "bösen üppigen Leben" verführen oder verleiten lassen möchten.

Der Tod durch das Schwert galt dabei noch als Privileg, wie aus Überlieferungen hervorgeht. Ein Mann, der 1605 auf dem Staffelsteiner Markt zwei Stücke Leder gestohlen hatte, wurde "als Gaudieb entlarvt, der auch auf anderen Märkten stahl und in Kirchen einstieg".

Er wurde zum Tod am Galgen verurteilt, dann aber zum Tod durch das Schwert "begnadigt". Wer einen Eid gebrochen hatte, dem konnten die beiden Schwurfinger abgehackt werden.

Von Metzger eingesetzt?

Im Depot des Stadtmuseums in Bad Staffelstein befindet sich das "letzte Henkersbeil". Doch ob das geschmiedete Eisen wirklich im genannten Sinne eingesetzt wurde, daran hegt Historiker Dippold Zweifel. "Eher von einem Metzger", meint er darauf angesprochen.

Belegbar sind indes Strafen, die hier verhängt wurden: Für Lästern, Beleidigen, Fluchen oder nächtliches Herumgrölen wurden Frauen und Männer im 16., 17. und 18. Jahrhundert an den Pranger gestellt und/oder bezogen heftige Stockschläge. Walter Rein, Richter am Oberlandesgericht Bamberg a.D., fand dazu Beispiele in historischen Dokumenten.

Einblicke in dieses Geschichtswissen gab er unter anderem in der Festschrift zum Jubiläum "850 Jahre Marktrecht" der Stadt Staffelstein (1980) sowie bei einer historischen Führung durch die Kurstadt.

Dabei wurde auch herausgestellt, dass viele Vergehen, die damals geahndet wurden, im gewerblichen Bereich lagen. Bäcker, deren Brot ein zu geringes Gewicht hatte, Metzger, die krankes Vieh schlachteten, oder Müller, deren Mehl nicht rein war, wurden der Stadt verwiesen oder gewisse Zeit eingesperrt.

Im 17. Jahrhundert gewannen Haftstrafen gegenüber Hinrichtungen an Gewicht. Straftäter wurden gerne in Türmen - beispielsweise auch im Oberen Torturm in Lichtenfels - weggesperrt.

Galgen standen noch lange

Die Galgen aber standen mitunter noch lange: In Marktgraitz, so heißt es, noch bis 1816. Dann soll er - weil morsch - eingefallen sein.

In Franken nahm eine wegweisende Entwicklung, weg von der Privatklage hin zu einer amtlichen Strafverfolgung, ihren Anfang. Die Bambergische Halsgerichtsordnung (Constitutio Criminalis Bambergensis) von 1507 fand weit über die Region hinaus Beachtung und diente als Grundlage für das erste allgemeine deutsche Strafgesetzbuch (Constitutio Criminalis Carolina), das bis 1806 galt.

In der Staatsbibliothek Bamberg können Interessierte heute ein digitalisiertes Exemplar einsehen.

Rechtssystem geändert

Das deutsche Rechtssystem veränderte sich nach 1800 grundlegend. Abgeschafft wurden die Folter (in Bayern 1806) und 1813 fast alle Leibesstrafen. Endgültig vorbei war es mit der Todesstrafe 1949. Einer der Väter des Grundgesetzes, der spätere Bundesjustizminister Thomas Dehler (FDP) - gebürtiger Lichtenfelser - hatte daran entscheidenden Anteil.