Georg Heidenreich erlebte im April 1945 das Einrücken der amerikanischen Truppen in Kümmersreuth.

An den April 1945 erinnert sich Georg Heidenreich sehr genau. Damals lebte er als knapp zehnjähriger Junge mit seinen Eltern in Kümmersreuth. Für einen Jungen in diesem Alter war es aufregend, die durchziehenden Wehrmachtskolonnen zu sehen und das Brummen der herankommenden amerikanischen Panzer zu hören. Und es war ein Abenteuer, mit herumliegenden Munitionsresten zu spielen. Aber der Reihe nach.

"Mein Vater war Schmied und beim Volkssturm verpflichtet", erzählt der 84-Jährige. Mit dem Fahrrad fuhr der 1907 geborene Schmiedemeister öfters nach Michelau zu Ausbildungsveranstaltungen. In Kümmersreuth hatten er und der Ortsbauernführer die Aufgabe, die Verdunkelung aus Gründen des Luftschutzes zu überwachen.

Als die amerikanischen Streitkräfte näher kamen, standen die Kinder in Kümmersreuth an den Straßen und beobachteten Spähpanzer und Seitenwagenmotorräder der zurückgehenden deutschen Armee.

Bombentransport mit Fuhrwerk

Irgendwann Anfang April habe ein Wehrmachtsangehöriger dem Ortsbauernführer den Befehl erteilt, vier Fliegerbomben in einem Depot bei Burglesau abzuholen, mit denen die Straße zwischen End und Kümmersreuth unpassierbar gemacht werden sollte. Geplant war, die Fahrbahn zwischen den steil aufragenden Felsen und der im Talgrund verlaufenden Hohlgasse zu sprengen.

Der Ortsbauernführer beauftragte umgehend den Schmied, Georg Heidenreich sen., die vier Fliegerbomben mit seinem Pferdefuhrwerk in Burglesau abzuholen. Seinen Sohn nahm er als Begleiter mit. "Die vier Bomben waren in zwei große Kisten verpackt", erinnert sich der 84-Jährige. Vater und Sohn holten die Bomben nachts ab, denn am Tag wäre das wohl wegen der Tiefflieger zu gefährlich gewesen.

Die Bomben wurden zunächst in einer Scheune der Heidenreichs gelagert, kurz darauf aber in einer Hecke außerhalb des Dorfes in Richtung Wattendorf versteckt. Der Vater hatte beschlossen: "Hier bei uns bleiben die Kisten nicht."

Zur Sprengung kam es nicht mehr

Das Sprengkommando der Wehrmacht, das die Bomben am Kümmersreuther Berg installieren und zünden sollte, war nicht mehr erschienen, denn offenbar rückten die amerikanischen Streitkräfte schneller vor als vermutet. Offenbar hatten die Amerikaner erfahren, dass die Straße vor Kümmersreuth gesprengt werden sollte, sagt Georg Heidenreich, denn sie kamen von Schwabthal aus über die Ebene zwischen dem Mondstein und dem Kemitzenstein von hinten nach Kümmersreuth herein. "Wir haben nur das Brummen der Panzer gehört", erzählt er, "die Amis kamen am 8. April früh um neun."

Munition in Sandgrube gesprengt

Etwa eine Stunde zuvor waren Kümmersreuther Bürger auf Weisung des Ortsbauernführers den Amerikanern entgegengegangen und schwenkten weiße Fahnen. Zwei Tage lang zogen nun die amerikanischen Militärkolonnen durchs Dorf. Als die US-Soldaten im Ort zwei Wehrmachtsangehörige vorfanden, durchsuchten sie alle Häuser nach untergetauchten Soldaten und Waffen.

Einige Tage später brachten die Amerikaner dann all die von deutschen Soldaten weggeworfenen Gewehre, Pistolen und Panzerfäuste sowie die eingesammelten Waffen und die vier Bomben zu einer Sandgrube zwischen Kümmersreuth und Wattendorf. Dort sprengten sie das Kriegsgerät in die Luft.

Doch Kinder sind neugierig. Georg Heidenreich und seine Freunde hatten die Detonation gehört. So beschlossen sie, in den Wald zu gehen und sich dort umzusehen. Für sie war das alles eher ein großes Abenteuer, die Gefahr wurde unterschätzt. Sie sahen die Trümmer von Gewehren und Munitionsteile weit verstreut herumliegen und in den Bäumen hängen.

Georg Heidenreich und seine Freunde lasen das Rohr einer Panzerfaust auf, deren Sprengkopf fehlte. Die Buben feuerten die Treibladung ab, die sich noch in der Waffe befand. "Des hat an' Trumm Schlag getan, a Feuerstrahl is' rauskomma und a Rauchwolk'n derzu", berichtet der 84-Jährige. Verletzt wurde keiner, doch den Kindern fuhr ein ordentlicher Schreck in die Glieder: "Mir wor'n ganz weiß, wie mir derham a'komma sin'."

Soldaten verschenkten Puppen

In den kommenden Wochen seien immer wieder amerikanischen Konvois oder Patrouillen durch Kümmersreuth gefahren, fügt er an. Manchmal hätten die US-Soldaten auf ihren riesigen Panzern Spielzeugpuppen mitgebracht, die sie an die Kinder verschenkten.

Eine weitere Kuriosität ist Georg Heidenreich in Erinnerung geblieben: "Als die Amis fort waren, fanden wir einmal so braunes Zeug. Wir wussten nicht, was des is'. Erst mei' Mutter hat's uns erklären können: Das ist Schokolade."