Bamberg hat wenig von den Wohnungen in der Kaserne
Autor: Michael Wehner
Bamberg, Mittwoch, 18. März 2020
2600 Wohnungen wurden beim Abzug der US-Armee vor sechs Jahren frei. Was wurde aus diesem gewaltigen Immobilien-Schatz?
Was sind die großen Preistreiber beim Hausbau? Am Beispiel eines Reihenhausprojektes in Bamberg wird klar, warum eine halbe Million Euro nicht mehr reicht.Christine Lawrence wohnt seit den 80er Jahren in Bamberg-Ost. Doch mit der Entwicklung im bevölkerungsreichsten Stadtteil Bambergs ist sie nicht zufrieden. "Wenn man auf das Kasernengelände sieht, blutet einem das Herz. Eingequetscht zwischen Bundespolizei und Ankerzentrum ist der Bamberger Osten, und keine Aussicht auf Besserung. Die Bamberger sind die Verlierer", sagt Lawrence, die auch Sprecherin der Initiative "Armygelände in Bürgerhände" ist.
Tatsächlich hat sich im Bamberger Osten jenseits des Berliner Rings seit dem Abzug der Amerikaner vor sechs Jahren nicht allzu viel verändert. Viele Zäune, die die US-Armee genutzt hat, werden heute von der Bundespolizei noch schärfer bewacht. Von Durchlässigkeit kann keine Rede sein, nicht von den lange erhofften Ost-West- und ebenso wenig von den Nord-Süd-Verbindungen. Auch die Offizierssiedlung steht immer noch leer.
Lang verbreitet Optimismus
Doch fragt man im Rathaus nach der Konversion, verbreitet die Stadt Optimismus. Harald Lang etwa, der Leiter des Konversionsamts, verweist auf 1300 Wohneinheiten, die auf dem teilweise bereits leer geräumten Gelände der Lagardekaserne entstehen sollen, rund 650 bis zum Jahr 2025. Baubeginn der ersten Einheiten soll 2021 sein.
Auch Veit Bergmann, Chef der städtischen Wohnungsbautochter Stadtbau, findet, dass die Stadt unter den gegebenen Voraussetzungen das Maximale aus der Konversion herausgeholt habe. Der Vorwurf, dass nichts passiert sei, stimme definitiv nicht: 146 Wohnungen seien etwa auf dem Gelände der früheren Pines-Siedlung, heute Föhrenhain, entstanden. Die dort verlangten Mietpreise beziffert Bergmann mit 5,50 bis 6,40 Euro pro Quadratmeter.
Das Gelände schlecht geredet?
Christine Lawrence kann über solche Zahlen und Aussagen nur schmunzeln. Sie sagt: "Die Stadt hat so ziemlich alles falsch gemacht, was man hätte falsch machen können. In Bad Kissingen, Kitzingen und Schweinfurt haben die Kommunen das gesamte US-Gelände in einem Zug gekauft. In Bamberg hat man es schlecht geredet, um den Preis zu drücken. Die Wohnungen seien verseucht, der Mantel der Konversion zu groß, so hieß es damals. Dann kam die Flüchtlingskrise und es war zu spät."
Unbestritten war es ein großer Schatz, der Bamberg-Ost durch den Abzug der US-Armee vor einem halben Jahrzehnt in den Schoß fiel.
Nur ein Teil davon ist bis heute gehoben. Wer die frei gewordenen Einheiten addiert, die auf den 2013 kursierenden Papieren der Stadt aufgelistet sind, kommt auf die Zahl von 2600 US-Wohnungen, ein Vielfaches des jährlichen Neubauvolumens in Bamberg.
Was ist mit diesem gewaltigen Immobilienvermögen geschehen? Immerhin 149 Reihen- und Doppelhäuser der Nato-Siedlung sind schon vor Jahren verkauft worden. 146 weitere Wohnungen wurden am Föhrenhain (Pines-Siedlung) von der Stadtbau saniert. Ähnliches ist nach langen Verhandlungen mit 31 Häusern der ehemaligen Offizierssiedlung geplant, der neun Millionen Euro teure Sanierungsprozess soll 2021 erste Ergebnisse zeigen.
Doch für einen Großteil der Wohnungen ist es ungewiss, ob sie je auf den freien Markt gelangen oder an Bamberger Bürger vermietet werden. "Die Bundespolizei hat derzeit 2700 Betten. Alle Häuser sind für unsere Schüler und das Lehrpersonal komplett belegt", sagt Thomas Lehmann, der Leiter der Bundespolizeischule. Und die Aussichten, dass sich das in absehbarer Zeit ändert, sind gering.
Kein Geld für Neubau
Wie meist liegt es am Geld. Damit die 1600 Wohneinheiten am Lindenanger und in der ehemaligen Panzer- und Artilleriekaserne wieder in irgendeiner Form frei werden könnten, müsste die Bundespolizei neu bauen und ihren Standort verkleinern - eine Frage von Millionen, die der Bund in die Hand nehmen müsste.
Wird das ohne gehörigen politischen Druck funktionieren? Und vor allem wann? Die Antwort ist aus Bamberger Sicht ernüchternd: Derzeit zumindest ist eine schnelle Lösung nicht in Sicht, nicht einmal eine fertige Konzeption. Die Bundespolizei, die auf ihrer stadtteilgroßen Fläche eine Buslinie unterhält, wird mindestens bis zum Jahr 2027 ihre maximale Auslastung behalten, hieß es zuletzt im Januar. Christine Lawrence fürchtet, dass das über 100 Hektar große Areal "bis zum Sanktnimmerleinstag" bei der Bundespolizei bleibt.
Einen Kilometer weiter südlich gibt es zumindest einen Termin. In der ehemaligen US-Flynn-Siedlung mit ihren 25 (!) großen Wohnblocks hat die US-Regierung in den Jahrzehnten vor 2014 für ihre Soldaten 402 Wohnungen mit einer Größe von 84 bis 103 Quadratmetern errichtet und unterhalten. Derzeit wird ein Teil davon von den Bewohnern der Aufnahmeeinrichtung Oberfranken (AEO) genutzt. Glaubt man der Vereinbarung, die Stadt und Freistaat Ende 2015 getroffen haben, soll Ende 2025 endgültig Schluss sein.
Doch auch hier machen sich Zweifel breit. Harald Lang vom Konversionsamt fordert deutlich mehr Einsatz von der Politik, um möglichst schon "2023 und 2024 einen Pflocken reinrammen zu können" und zumindest eine Planung zu erstellen.
Kostengünstiges Wohnen
Nachdem es noch 2013 von der Stadt entwickelte Abrissüberlegungen für die gesamte Siedlung gab, ist Lang mittlerweile überzeugt, dass das ehemalige Flynn-Areal mit seinen 400 Bestandswohnungen ideal wäre, um kostengünstiges Wohnen nach dem Beispiel des Föhrenhains auch hier zu verwirklichen. Auch eine Nachverdichtung wäre in dem locker bebauten Viertel leicht machbar.
Doch ausgemacht sind solche Entwicklungen längst nicht. Zwar gibt es bisher noch keine Signale, dass die AEO über 2025 fortgeführt werden soll, aber auch keine anderslautenden Zeichen. Man muss wissen: Eine Schließung der AEO setzt voraus, dass die Flüchtlinge andernorts untergebracht werden. Planungen dazu sind aber keine bekannt, was vor allem bei Anwohnern Zweifel nährt.
So sorgt sich etwa Markus Ritter aus Bamberg-Ost, dass die hohen Millioneninvestitionen für die Lager-Infrastruktur und die kostenlose Miete für den Freistaat ein starkes Argument für die Fortsetzung der Einrichtung sein werden. Er sagt: "Diese Anlage ist für die Staatsregierung einfach schwer zu ersetzen."
Und auch Flüchtlingshelfer sind skeptisch: So macht Alexander Thal vom Bayrischen Flüchtlingsrat nach seinen Erfahrungen mit der Aufnahmeeinrichtung in Zirndorf den Bambergern wenig Hoffnung: "Nichts hält länger als ein Provisorium."