Zwei Tage nach Amokfahrt in Münster: Polizei erstellt Bewegungsprofil des Täters
Autor: Agentur dpa
Münster, Montag, 09. April 2018
Warum fuhr der 48-Jährige in eine Menschenmenge und tötete anschließend sich selbst? Ein Bewegungsprofil des Täters soll bei der Aufklärung helfen.
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Nach der Amokfahrt mit insgesamt drei Toten in Münster wollen die Ermittler eine Art Bewegungsprofil des 48-jährigen Todesfahrers erstellen. "Wir konzentrieren uns jetzt mit unseren Untersuchungen insbesondere darauf, ein möglichst umfassendes Bild über das Verhalten des Täters in den Vorwochen zu erhalten", sagte der Polizeipräsident von Münster, Hajo Kuhlisch. So wollten die Ermittler dessen Motivation für die blutige Tat verstehen. Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU): "Spricht sehr, sehr viel für Einzeltäter." Der Amokfahrer besaß keinen Waffenschein.
Amokfahrer von Münster soll Suizid-Gedanken geäußert haben
20 Personen verletzt - drei davon lebensgefährlich
Am Sonntag war bekannt geworden, dass der gebürtige Sauerländer wegen psychischer Probleme Kontakt zum Gesundheitsamt in Münster hatte und suizidale Gedanken formuliert hatte. Bei dem blutigen Zwischenfall vor einem Lokal in der belebten Innenstadt wurden am Samstag rund 20 Menschen verletzt. Drei Personen wurden getötet, darunter der Täter. Zwei Personen schweben am Montagmorgen noch in Lebensgefahr.
Mit den Betroffenen und den Verletzten will die nordrhein-westfälische Opferschutzbeauftragte Elisabeth Auchter-Mainz am Montag in Münster zusammenkommen. Über ihren Sprecher rief sie dazu auf, die unschuldigen Betroffenen einer Tat wie in Münster nicht zu vergessen.
Opfer sollen Hilfe bekomme
"Nach einer tragischen und blutigen Tat wie dieser ist es wichtig, den Opfern die Hilfe anzubieten, die sie benötigen, kurzfristig und auch auf lange Sicht", sagte der Sprecher des zuständigen NRW-Justizministeriums, Peter Marchlewski, der dpa. "Opfer sind unschuldig. Und sie geraten auch in der Diskussion über eine solche Tat zu schnell in Vergessenheit."
Auchter-Mainz werde die Gespräche in Münster im Vertrauen und nicht öffentlich führen, betonte ihr Sprecher weiter. "Wir wollen zeigen, dass das Land und die Landesregierung für die Opfer da sind, wenn die Kameras weg sind."
Täter schickte E-Mail an Bekannte
Nach Angaben der Polizei gibt es weiterhin keine Hinweise auf ein politisches Motiv für die Amokfahrt oder auf weitere Täter. Der Täter, ein Industriedesigner, sei bereits mit Suizid-Gedanken aufgefallen. Ende März habe er eine Mail an mehrere Bekannte geschrieben, teilte die Polizei mit. "Aus dem Inhalt ergaben sich vage Hinweise auf suizidale Gedanken, aber keinerlei Anhaltspunkte für die Gefährdung anderer Personen." Nach Medienangaben hatte der Mann in der Mail und auch in einem langen Schreiben, das in seiner weiteren Wohnung im sächsischen Pirna gefunden wurde, über Schuldkomplexe, Zusammenbrüche und Ärztepfusch geklagt.
Der Polizeipräsident von Münster, Hajo Kuhlisch, sagte, die Ermittler gingen daher davon aus, "dass die Motive und Ursachen in dem Täter selber liegen". Nach dpa-Informationen stammt der Mann aus dem sauerländischen Olsberg, er wuchs in Brilon auf und lebte seit längerer Zeit in Münster.
"Wunsch nach Macht" als mögliches Motiv
Nach Ansicht des Kriminologen Christian Pfeiffer zeigt der Täter von Münster alle Merkmale eines Amokläufers. Der Mann sei offenkundig "ein einsamer Wolf ohne soziale Bindung und sozialen Erfolg", sagte Pfeiffer der "Nordwest-Zeitung" (Montag) in Oldenburg. Aus so einer Ohnmachtserfahrung könne sich der Wunsch nach Macht entwickeln. "Der Amokläufer möchte Herr über Leben und Tod anderer Menschen sein, möchte die Panik in ihren Augen sehen, wenn er sie mit tödlicher Wucht angreift", sagte Pfeiffer. "Das soll ihn entschädigen für all die Niederlagen und Demütigungen, für die er andere verantwortlich macht."
"Absolute Sicherheit gibt es einfach nicht"
Nach den Bildern aus Münster suchen auch die Einwohner der Stadt weiter nach Erklärungen. "Die Menschen haben jetzt gemerkt, dass es auch für sie ein Restrisiko gibt. Nicht nur Berlin oder München - nein, es kann auch uns in Münster treffen, das haben die Menschen jetzt begriffen", sagt der Münsteraner Psychologe Steffen Fliegel.
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) forderte Kommunen auf, selbst vor Ort zu prüfen, wie ihre Innenstädte gesichert werden könnten. "Absolute Sicherheit gibt es einfach nicht", sage Reul der in Heidelberg erscheinenden "Rhein-Neckar-Zeitung" (Montag). "Wir können nicht jede Gewalttat verhindern, müssen aber wachsam sein."
NRW-Innenminister Reul geht von Einzeltäter aus
Nach der Amokfahrt mit insgesamt drei Toten in Münster verstärken sich die Hinweise auf einen psychisch gestörten Einzeltäter. "Es sieht ganz so aus, dass es sich um einen psychisch labilen und gestörten Täter handelt, der offensichtlich schon länger darüber nachgedacht hat, sich das Leben zu nehmen", sagte der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) am Montagmorgen im Deutschlandfunk. Es würden zwar nach wie vor auch mögliche andere Hintergründe geprüft. "Aber es spricht schon sehr, sehr viel dafür, dass es ein Einzeltäter war."
Der 48 Jahre alte Amokfahrer sei bereits auffällig gewesen und der Polizei bekannt, weil er kleinere Straftaten begangen habe. Auch wussten die Gesundheitsbehörde vom angeschlagenen Zustand des Mannes, der diesen laut Polizei auch in einem Schreiben an Bekannte beschrieben hat. Aber: "Wenn jemand darüber nachdenkt, sich das Leben zu nehmen, ist dadurch nicht automatisch daraus zu schließen, dass er auch anderen Menschen Gewalt antun wird", sagte Reul.
Zwei Waffen und Böller im Amokfahrzeug
Der Amokfahrer von Münster besaß keinen eigenen Waffenschein, als er sich nach der blutigen Tat in seinem Wagen erschoss. "Er hatte keinen Waffenschein. Es war keine ordnungsgemäß erworbene Waffe", sagte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) am Montagmorgen dem Sender WDR 5. Nach der Amokfahrt mit insgesamt drei Toten in Münster hatte sich der 48-jährige Fahrer in seinem Wagen das Leben genommen.
Im Campingbus hatten Ermittler neben der Tatwaffe auch eine Schreckschusspistole und rund ein Dutzend sogenannter Polenböller gefunden. Weitere Polenböller sowie eine unbrauchbar gemachte Maschinenpistole vom Typ AK47 entdeckte die Polizei in Münster.
SPD-Fraktionschefin fordert weiterhin Beistand für Opfer
Die Betroffenen der Amokfahrt von Münster brauchen nach Ansicht von SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles weiterhin Beistand. Diesen habe es unmittelbar nach der Tat ein Stück weit gegeben - es seien jetzt aber noch viele Sachen zu klären, sagte Nahles am Montag im ZDF-"Morgenmagazin". Sie wies darauf hin, dass es dazu nach dem Terroranschlag am Berliner Breitscheidplatz von Opfern und Angehörigen viel Kritik gegeben habe. "Das sollte sich jetzt einfach besser darstellen."
AfD twittert über islamistischem Terror
Nahles kritisierte, dass über Twitter unter anderem aus den Reihen der AfD sehr schnell Bezüge zu islamistischem Terror gezogen wurden, als noch keinerlei Hintergründe der Tat und des Fahrers bekannt waren. "Ich bin schon erschrocken, wenn man zu voreiligen Schlüssen kommt, die nichts mit der Realität zu tun haben, aber sehr wohl mit dem eigenen Weltbild." Das sei ganz besonders bitter für eine Stadt wie Münster, die versucht habe, solidarisch zu sein, aber vor allem für die Angehörigen der Opfer.