Zusteller im Weihnachtsstress: «Man ist fix und fertig»
Autor: Alina Grünky (Text) und Manuel Genolet (Foto)
, Mittwoch, 17. Dezember 2025
Mehr als 200 Pakete am Tag, Treppen ohne Aufzug – und kaum ein Dankeschön: Warum Weihnachten Paketboten an ihre Grenzen bringt und was sie sich von den Kunden wünschen.
Ein Balanceakt vor dem Wohnhaus in Berlin-Karow: Auf dem einem Arm stapeln sich die Pakete, die andere Hand drückt auf die Klingel. Der Türsummer - schnell rein, die Treppe hoch, vier Stockwerke. «Hallo, hier ist Ihr Paket, danke, schönen Tag noch», sagt DHL-Paketbote Steve Josch und eilt die Treppe wieder herunter zum gelben Transporter. In der Weihnachtszeit darf er keine Zeit verlieren.
Die Sendungsmengen werden gerade vor Weihnachten «immer schlimmer», sagt der 45-Jährige. Pro Tag fährt er für die Deutsche Post DHL mehr als 200 Pakete aus, zu anderen Jahreszeiten sind es eher 150. Besonders belastend seien Mehrfamilienhäuser ohne Aufzug. «Das Phänomen ist tatsächlich immer, dass die meisten, die viel bestellen, immer oben wohnen.»
«Man spart sich das Fitnessstudio»
Die Arbeit halte ihn zwar fit, sagt Josch, aber irgendwann gehe es auch «auf die Knochen». Der Paketbote macht den Job schon seit 16 Jahren. «Man ist fix und fertig, wenn man abends nach Hause kommt», berichtet er. «Man weiß, was man gemacht hat und man spart sich das Fitnessstudio, definitiv.»
Der Stress erreiche in der Weihnachtszeit einen Höchststand. «Man weiß, man hat Zeitdruck. Man muss Gas geben, sonst schafft man seine Tour am Tag nicht.» Seine Arbeitszeit beträgt laut Tarifvertrag siebeneinhalb Stunden pro Tag. Es gibt einen Korridor von 45 Minuten, den die Fahrerinnen und Fahrer zusätzlich nutzen können, um ihre Touren zu beenden. «Man will ja auch, dass die Kunden glücklich sind und ihre Pakete rechtzeitig erhalten.»
Möbelpacker ohne Dankbarkeit
Nicht selten muss Josch auch Pakete über 30 Kilogramm schleppen. «Das ärgert mich oder macht den Job einfach auch stressig, auch für den Körper, weil du wirklich manchmal denkst, du bist Möbelpacker», sagt er. Teilweise liefert er Kühlschränke bis oben vor die Haustür. «Die Leute kommen auf die schärfsten Ideen, was sie sich da bestellen. Das ist gar nicht schön.»
Doch gerade für junge Leute sei das eine Selbstverständlichkeit geworden. «Spürbare Dankbarkeit erfährst du meistens von älteren Leuten», sagt Josch. «Also tatsächlich diejenigen, die kaum Geld haben, die kaum mehr laufen können, sind diejenigen, die dir entgegenkommen, die dir auch mal 50 Cent Trinkgeld geben.»
Eine Begegnung habe ihn sehr berührt: Eine ältere, gehbehinderte Damen erhalte nahezu jede Woche Pflegematerial per Post. Es dauere schon eine Weile, bis sie an der Tür ist. Die Pakete bei einer Filiale abzuholen wäre für sie daher eine Tortur, meint Josch. «Die kam wirklich an und hat mir einfach mal wirklich ein etwas größeres Trinkgeld gegeben und hat sich tausendmal bedankt, dass ich mir auch immer die Zeit nehme, vor der Tür zu warten.» Das habe ihn sehr gerührt, «da kamen mir fast die Tränen, weil die Dame wirklich so dankbar war.» Schön, aber eine Ausnahme.