«Wirtschaftsweise» streiten über Grimms Aufsichtsratsposten
Autor: Michael Donhauser, dpa
, Mittwoch, 21. Februar 2024
Veronika Grimm ist nicht Vorsitzende, aber wohl das derzeit bekannteste Gesicht der Regierungsberater. Die Frage, ob sie auch Aufsichtsrätin bei Siemens Energy werden darf, entzweit das Gremium.
Keine vier Jahre ist es her, dass der Sachverständigenrat zur Beurteilung der wirtschaftlichen Entwicklung zwei Frauen in seinen erlauchten Kreis aufgenommen hat. Monika Schnitzer, Professorin aus München und ältere sowie höher dekorierte der beiden Frauen, wurde zwei Jahre später sogar zur ersten weiblichen Vorsitzenden des wichtigen Beratergremiums der Bundesregierung, der sogenannten Wirtschaftsweisen, ernannt. Doch Schlagzeilen macht vor allem eine: Veronika Grimm.
Zwischen Grimm auf der einen und Schnitzer sowie den drei anderen Mitgliedern des Sachverständigenrates Achim Truger, Ulrike Malmendier und Martin Werding ist es jetzt zum offenen Streit gekommen. Grimm, versierte Expertin auf dem Gebiet der Energiepolitik, möchte in der nächsten Woche ein Aufsichtsratsmandat beim Energiekonzern Siemens Energy antreten.
Die anderen vier «Wirtschaftsweisen» sehen darin einen unlösbaren Interessenkonflikt und fordern Grimm auf, entweder auf das Mandat bei Siemens Energy oder auf ihren Posten im Sachverständigenrat zu verzichten. Die anstehende Energietransformation sei von «herausragender wirtschaftlicher und wirtschaftspolitischer Bedeutung». In der Ratsarbeit sei die Expertise von Veronika Grimm daher von großem Wert. Es komme hinzu, dass die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für Themen der Rechtstreue (Compliance) zugenommen habe.
Tatsächlich gibt es unterschiedliche Auffassungen über die Vereinbarkeit eines Aufsichtsratspostens bei Siemens Energy und der Tätigkeit bei den «Wirtschaftsweisen». Die Organisation Lobbycontrol sieht einen Interessenkonflikt. «Wer die Bundesregierung in gesamtwirtschaftlichen Fragen berät, sollte nicht von einem Großunternehmen bezahlt werden und in dessen Gremien sitzen», betonte der Verein.
Erstmals Dissonanzen wegen Aufsichtsratsmandat
Das Vorgehen ist ein Novum für das Gremium. Schon früher waren einzelne Mitglieder in Aufsichtsposten bei deutschen Aktiengesellschaften aktiv. Doch nie hatte es öffentliche Dissonanzen deswegen gegeben. «Ich habe das im Vorfeld prüfen lassen - die rechtliche Situation ist eindeutig», sagte Grimm der Deutschen Presse-Agentur. Die Kolleginnen und Kollegen im Rat seien umgehend informiert worden.
Der «Welt» sagte Grimm: «Es ist aus gutem Grund nicht vorgesehen, dass die Politik Mitglieder des Sachverständigenrates während ihrer Amtszeit abberuft: damit dieses Gremium unabhängig beraten kann und eben nicht unter dem Druck steht, nur eine bestimmte, gewünschte Meinung zum Ausdruck zu bringen. Die Unabhängigkeit des Sachverständigenrates ist mit dem Anliegen, mich aus dem Amt zu drängen, nicht vereinbar.» Grimms Mandat reicht bis 2027.
Schnitzer sagte dem «Handelsblatt», das wichtigste Gut des Sachverständigenrates sei die Unabhängigkeit: «Gleichzeitig bei einem Unternehmen tätig zu sein, das derart abhängig von der Regierung ist, das kann nicht funktionieren.» Zum Vorwurf, sie wolle nur aus politischem Kalkül eine Gegnerin loswerden, sagte Schnitzer: «Was für ein Unsinn.» Es wäre ihr lieber, wenn Grimm im Rat bliebe, als in den Aufsichtsrat zu gehen.