Wenn das Weltwirtschafts- zum Krisenpolitikforum wird
Autor: Theresa Münch und Christiane Oelrich, dpa
, Freitag, 12. Januar 2024
Um das Weltwirtschaftsforum in Davos ranken sich viele Geschichten, und längst geht es dort um mehr als nur um Wirtschaft. In diesem Jahr könnte es Entscheider aus dem Nahen Osten zusammenbringen.
Das Weltwirtschaftsforum verfolgt seit mehr als 50 Jahren das Ziel, eine bessere Welt zu schaffen. Wenn sich in der kommenden Woche im Schweizer Wintersportort Davos wieder die politisch-ökonomische Weltelite trifft, scheint das dringender denn je. Denn wo vor Jahren noch über eine neue industrielle Revolution und Chinas Freihandel diskutiert wurde, geht es heute um Kriege in der Ukraine und im Gaza-Streifen, um Blockbildung, um Weltpolitik.
Längst drängen sich die politischen Probleme in den Vordergrund beim Davoser Treffen, das ursprünglich mal eine Zusammenkunft von Globalisierungsanhängern und Wirtschaftsliberalisten war. Die geopolitischen Spannungen seien in diesem Jahr so groß wie seit Jahrzehnten nicht, meint Forumspräsident Børge Brende. «Der einzige Weg nach vorn ist: zusammenkommen und Lösungen finden.»
Die Organisatoren haben sich viel vorgenommen: «Vertrauen wieder herstellen» ist das diesjährige Motto. Das Problem: Die Globalisierung ist seit der Corona-Pandemie unter Druck, durch Kriege und Krisenherde nehmen globale Spannungen zu. Mit dem Vertrauen ist es gerade schwierig auf dem internationalen Parkett.
Gewinnt das Treffen wieder an Bedeutung?
In den vergangenen Jahren schien das Weltwirtschaftsforum (WEF) vielleicht auch daher an Bedeutung verloren zu haben. Die ganz großen Namen wie etwa ein US-Präsident fehlten auf der Teilnehmerliste, im vergangenen Jahr war Kanzler Olaf Scholz als einziger Staats- oder Regierungschef eines G7-Staates dabei. Doch in diesem Jahr reisen wieder mehr Größen aus Politik und Wirtschaft an - und vor allem auch solche mit entscheidenden Rollen in den aktuellen Krisen.
Erstmals seit Beginn des Krieges kommt der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nach Davos. In den vergangenen Jahren hatte er digital um Unterstützung für sein von Russland angegriffenes Land geworben. Diesmal reist er selbst an, um den mehr und mehr kriegsmüden Westen aufzurütteln. Auf der Davoser Promenade könnte Selenskyj auf den chinesischen Ministerpräsidenten Li Qiang treffen. Die Ukraine hofft schon länger, dass sich China stärker in den Konflikt einbringt und seinen Einfluss auf Russland geltend macht.
Mit Spannung wird zudem erwartet, welche Signale Li Qiang an die wirtschaftspolitische Elite sendet. Denn Chinas Wirtschaft steht unter anderem durch den Schlagabtausch über Sanktionen mit den USA schwer unter Druck. China freue sich, Austausch und Kommunikation zu stärken und das gegenseitige Verständnis und Vertrauen zu erhöhen, hieß es vorab aus dem Außenamt in Peking.
Spitzenpolitiker aus dem Krisenherd Naher Osten
Das Weltwirtschaftsforum hat in diesem Jahr auch das Potenzial, wichtige Interessenvertreter rund um den Gaza-Krieg zusammenzubringen. Neben den Ministerpräsidenten aus Katar, dem Irak, Jordanien und Libanon steht der israelische Präsident Isaac Herzog auf der Gästeliste. Nach Medienberichten wird auch der iranische Außenminister erwartet.