Was Schwarz-Rot von der Ampel unterscheidet – oder was nicht
Autor: Theresa Münch und Jörg Blank, dpa
, Dienstag, 12. August 2025
Nach nicht einmal 100 Tagen brauchen viele in Union und SPD schon eine Pause voneinander. Das Kanzleramt verweist auf eine positive Bilanz. Rauft die Koalition sich nach der Sommerpause zusammen?
Sie sind angetreten, um es anders, um es besser zu machen. Besser als die gescheiterte Vorgängerkoalition, die Ampel, die Deutschland nach drei Jahren Streit tief verunsichert zurückließ. Aufbruch, Stimmungswandel, das ist die Parole von Schwarz-Rot. Doch nach nur 100 Tagen muss sich die Koalition von Kanzler Friedrich Merz (CDU) die Frage stellen: Streiten wir schon genauso wie die Ampel?
100-Tage-Note
100 Tage, diese Frist hat der frühere US-Präsident Franklin D. Roosevelt als Maßstab für gutes Regieren eingeführt. Bis heute müssen sich Politikerinnen und Politiker daran messen lassen. Für die Bundesregierung fällt das Zeugnis schlecht aus, wenn es nach den Umfragen geht. Nur noch 29 Prozent sind laut «Deutschlandtrend» der ARD zufrieden mit Schwarz-Rot, es ist der schlechteste Wert seit Amtsantritt der Regierung. Auch Merz selbst büßt an Vertrauen ein.
Für manche fühlen sich die 100 Tage in Berlin schon an wie drei Jahre. Genauer: drei Ampel-Jahre. Man ist müde. Man ist mit Groll in die Sommerpause gegangen. Union und SPD brauchten dringend eine Pause voneinander. Den Vergleich zur Ampel will Vizekanzler Lars Klingbeil trotzdem noch nicht ziehen. Von diesen Zeiten sei man «sehr weit entfernt», sagt er der «Rheinischen Post». Doch man merkt dem SPD-Chef an: Regieren macht gerade nicht so viel Spaß.
Wo es gut lief
Dabei hat es doch gar nicht so schlecht angefangen – abgesehen von der erst im zweiten Anlauf gelungenen Kanzlerwahl. Merz liebt den großen außenpolitischen Auftritt: Das Treffen mit US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus? Gelungen. Der Nato-Gipfel? Ebenfalls. Europa? Passt – obwohl sich das Verhältnis zu Polen und Frankreich schon wieder merklich abkühlt.
Dazu kommt eine ganze Palette von Gesetzen: «Wachstumsbooster», Haushalt, Rentenpaket, «Bauturbo», Migrationspolitik. Schon vor der Kanzlerwahl war ein Aufweichen der Schuldenbremse unter Dach und Fach. Ein hohes Tempo, bilanziert Kanzleramtsminister Thorsten Frei (CDU) in der «Zeit»: «Die politische Gesamtbilanz der ersten drei Monate ist absolut positiv.»
Wo es schlecht lief
Zwei Themen jedoch liegen wie Mehltau über Schwarz-Rot – und sie werfen die Frage auf, ob Merz die Innenpolitik unterschätzt und zu viel hat laufen lassen.
Der erste Ampel-Moment: die Stromsteuer. Dass diese nun doch nicht für alle Bürger gesenkt wird, war im Kabinett abgestimmt. Als Klingbeil damit an die Öffentlichkeit ging, kam trotzdem heftiger Protest aus der Union. Die Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (NRW, CDU) und Markus Söder (Bayern, CSU) machten Druck, CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann ebenfalls.