Was bewirken die Demonstrationen gegen Rechtsextremismus?
Autor: Martina Herzog, dpa
, Freitag, 26. Januar 2024
Wer sich derzeit Sorgen macht um den Aufstieg der AfD, muss sich damit nicht allein fühlen. Jedes Wochenende gehen Menschen auf die Straße. Was die Proteste zurücklassen, muss sich noch zeigen.
Hunderttausende Menschen gehen auf die Straße, aufgerüttelt durch einen Bericht des Medienhauses Correctiv über ein Treffen radikaler Rechter. Das Ausmaß der Proteste ist eindrücklich - doch wie lange kann das noch dauern? Und bergen die Demonstrationen tatsächlich eine Chance auf das, worauf die Teilnehmerinnen und Teilnehmer hoffen: eine Schwächung der AfD und rechtsextremistischer Gruppierungen?
Der politische Soziologe Rüdiger Schmitt-Beck von der Universität Mannheim beobachtet eine Eigendynamik. «Wenn regelmäßig über sechsstellige Teilnehmerzahlen berichtet wird, sinkt die Hürde für weitere Teilnehmer deutlich.» Doch irgendwann sei der Scheitelpunkt erreicht, danach laufe die Mobilisierung wieder aus. «Ich gebe der Sache noch zwei, drei Wochen, dann ist der Höhepunkt vermutlich überschritten.»
Die Proteste könnten vor allem die gesellschaftlichen Debatten verändern, meint der Protestforscher Peter Ullrich von der Technischen Universität Berlin. Überzeugte Rechtsextremisten und AfD-Anhänger werde man damit nicht zurückgewinnen. «Aber Leuten, die unentschieden, vielleicht auch weniger informiert oder politisch nicht sehr gefestigt sind, denen werden hier andere Deutungsangebote als jene der AfD gemacht.»
Gegen Hass - aber Hass skandieren?
Die hohen Teilnehmerzahlen dürften auch dem Prinzip des kleinsten gemeinsamen Nenners geschuldet sein. Die Demonstranten eint die Ablehnung von AfD und Rechtsextremismus. Doch schon bei der Frage, wie sich diese Haltung äußern sollte, dürften Gewerkschafterinnen, Kirchenvertreter und Antifa-Aktivisten unterschiedlicher Meinung sein.
In Aachen ermittelt mittlerweile die Staatsanwaltschaft wegen eines Plakats mit der Aufschrift «AfDler töten. Nazis abschieben!». Bei der Berliner Demonstration am Sonntag wurde Hass und Hetze von rechts verurteilt, gleichzeitig aber aus den Reihen der Demonstranten wiederholt «Ganz Berlin hasst die AfD» skandiert - ein Satz, den Teilnehmer auch andernorts riefen.
Correctiv-Enthüllung als Auslöser
Correctiv hatte ein Treffen radikaler Rechter am 25. November in Potsdam öffentlich gemacht, an dem AfD-Politiker sowie einzelne Mitglieder der CDU und der sehr konservativen Werteunion teilgenommen hatten. Der frühere Kopf der Identitären Bewegung in Österreich, Martin Sellner, hatte bei dem Treffen nach eigenen Angaben über «Remigration» gesprochen.
Wenn Rechtsextremisten diesen Begriff verwenden, meinen sie in der Regel, dass eine große Zahl von Menschen ausländischer Herkunft das Land verlassen soll - auch unter Zwang. Laut einer aktuellen YouGov-Umfrage haben die Berichte dem Bild der AfD bei jedem zweiten Befragten geschadet. Doch nicht nur die politische Konkurrenz, auch die AfD selbst berichtete zuletzt von einem Mitgliederzuwachs.