Was bei der Richterwahl nun alles auf dem Spiel steht
Autor: Michael Fischer und Basil Wegener, dpa
, Sonntag, 13. Juli 2025
Nach dem Fiasko bei der Richterwahl herrscht große Ratlosigkeit bei Schwarz-Rot. Wie will man da wieder rauskommen? Bei der Suche nach einer Lösung geht es um mehr als nur den Koalitionsfrieden.
Friedrich Merz hatte sich eigentlich vorgenommen, als Bundeskanzler einen neuen, kooperativen Regierungsstil zu etablieren. «Die permanenten öffentlichen Auseinandersetzungen der Vergangenheit, die müssen wir beenden», hatte sich der CDU-Chef bereits vor der Bundestagswahl zum Ziel gesetzt. Seit der geplatzten Wahl dreier Verfassungsrichter am Freitag im Bundestag steht fest, dass er mit diesem Anspruch zunächst gescheitert ist. Nach gut zwei Monaten im Amt zofft sich die schwarz-rote Koalition in unrühmlichster Ampel-Manier.
Nach dem Fiasko setzt er nun erst einmal darauf, die Wogen zu glätten. «Das war am Freitag nicht schön, aber das ist nun auch keine Krise der Demokratie, keine Krise der Regierung», sagte er im ARD-«Sommerinterview». Das Ganze sei «undramatisch» und «kein Beinbruch». Er werde das nun ganz in Ruhe mit der SPD besprechen. «Da gibt es jetzt keinen Zeitdruck.»
Wegen der parlamentarischen Sommerpause kommt der Bundestag erst am 10. September zu seiner nächsten regulären Sitzung zusammen. Spätestens bis dann sollte aber eine Lösung gefunden sein. Es geht dabei um viel: Es steht nicht nur der Koalitionsfrieden auf dem Spiel, sondern auch das Ansehen des Bundesverfassungsgerichts, die Handlungsfähigkeit des Bundestags und das politische Schicksal eines führenden Koalitionspolitikers. Was bedeutet das im Einzelnen?
Wiederherstellung des Koalitionsfriedens
Wenn ein Koalitionspartner dem anderen öffentlich Führungsversagen vorwirft, bedeutet das Alarmstufe Rot für ein Regierungsbündnis. Genau das hat der Vizekanzler und SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil am Freitag vom Rednerpult im Bundestag getan. Führung und Verantwortung seien «nichts für Sonntagsreden», sagte er kurz nach der geplatzten Richterwahl. «Sondern wenn hier strittige Abstimmungen sind, dann muss es Führung und Verantwortung auch geben. Und das muss gezeigt werden.»
Die Suche nach einer einvernehmlichen Lösung wird nun zur ersten großen Bewährungsprobe der noch jungen Koalition. Vor allem muss verlorenes Vertrauen wiederhergestellt werden, nachdem die Unionsführung ihre Zusage, die SPD-Kandidatin Brosius-Gersdorf mitzuwählen, nicht einhalten konnte.
Politische Zukunft von Unionsfraktionschef Spahn
Als Hauptverantwortlicher für das Fiasko wird von allen Seiten der Unionsfraktionsvorsitzende ausgemacht. Ausgerechnet Jens Spahn, dem bisher ein Gespür für konservative Reflexe in der Union nachgesagt wurde, hat den Widerstand in der Union gegen Brosius-Gersdorf unterschätzt.
In der Maskenaffäre konnte sich der frühere Gesundheitsminister noch auf den Rückhalt in den eigenen Reihen verlassen. Die Angriffe gegen ihn aus der Opposition wurden einhellig als Kampagne gewertet.