Warum Journalisten mehr Haltung brauchen
Autor: Frank Förtsch
Bamberg, Donnerstag, 20. Sept. 2018
Warum dies auch für den Journalismus gilt und welche Konsequenzen Journalisten daraus ziehen sollten, erklärt der Kommunikationswissenschaftler Klaus Meier.
Unsere freiheitliche Grundordnung fußt auf stabilen Institutionen und dem Vertrauen, das die Menschen ihnen entgegenbringen. Was heißt es vor diesem Hintergrund für Demokratie und Rechtsstaat, wenn nicht nur Politik, Wirtschaft und Kirche, sondern auch die Presse an Vertrauen einbüßt?
In den Augen des Kommunikationswissenschaftlers Klaus Meier sind die Probleme des Journalismus nur eines von vielen Krisensymptomen der offenen Gesellschaft. Was es jetzt brauche, seien Journalisten mit Haltung und der Bereitschaft zur Selbstkritik. Dieselskandal, Flüchtlingskrise, sexueller Missbrauch: Wir erleben einen Vertrauensverlust in Wirtschaft, Politik oder Kirche. Obwohl es die etablierten Medien sind, die genau diese Entwicklungen aufarbeiten und aufdecken, wird die Arbeit der Journalisten zunehmend angezweifelt. Warum?
Klaus Meier: Eine gesunde Skepsis, ob Journalismus uns richtig informiert und die wichtigen Themen auswählt, ist in einer demokratischen Gesellschaft grundlegend wichtig und sinnvoll. Weltweite Befragungen zeigen, dass Nachrichtenmedien in autoritären Regimen von der Bevölkerung als wesentlich glaubwürdiger eingeschätzt werden als in Demokratien. Ein überraschender Befund! In der pluralistischen Demokratie ist eben vieles nicht so eindeutig. Wir müssen eine Vielfalt an Meinungen und die Komplexität der Gesellschaft aushalten - und offenhalten. Wenn die Demokratie kippt, wie derzeit zum Beispiel in Ungarn, Polen oder in der Türkei, ist es eines der ersten Ziele der Regierungen, Journalisten zu kontrollieren oder sogar zu verhaften und kritische Medien zu verbieten - und eine gesäuberte, einseitige Öffentlichkeit herzustellen.
Aber auch in pluralistischen Demokratien stehen Journalisten unter erhöhtem Rechtfertigungszwang. Zu Recht? Natürlich machen auch Journalisten in der Demokratie wie jede andere Berufsgruppe auch Fehler. Und diese Fehler sind dann sofort öffentlich sichtbar und kritisierbar. Das ist bei intransparenten Berufen anders wie zum Beispiel bei Ärzten, Richtern, Polizisten oder Wissenschaftlern, die von der Bevölkerung weit mehr geschätzt werden als der Beruf des Journalisten. Das gilt auch für Politiker, die immer und jederzeit mit ihren Stärken und Schwächen im Licht der Öffentlichkeit stehen - und bei groben Fehlern in der Demokratie abgelöst werden. Wie stark hat die Presse an Vertrauen eingebüßt?
Dass die Menschen in Deutschland immer weniger Vertrauen in Journalismus hätten, ist eine Erzählung, die von interessierter Seite - vor allem von rechtsnationalen Gruppen mit Begriffen wie "Lügenpresse" - befeuert wird und die wissenschaftlich betrachtet nicht stimmt. Wie sehr kann man bei wirklich wichtigen Dingen den Medien vertrauen, fragt eine Langzeitstudie der Universität Mainz. Man kann "eher" oder "voll und ganz" vertrauen, sagen 2017 42 Prozent. 2008 waren es noch 29 Prozent, 2015 nur 28 Prozent. Jedoch hat die populistische Propaganda der vergangenen Jahre Spuren hinterlassen: 13 Prozent denken, sie würden von den Medien systematisch belogen. Das waren vor zehn Jahren noch deutlich weniger.
Soziale Netzwerke verstärken Zweifel an der Arbeit etablierter Medien. Facebook & Co. sind für eine ganze Reihe von Menschen zu den einzig relevanten Informationsquellen geworden. Wie können wir diesen Menschen den Wert unabhängiger, ungefilterter Berichterstattung vermitteln?