Waffenlieferungen: Gauck wirft Bund Zögerlichkeit vor
Autor: dpa
, Sonntag, 07. Januar 2024
In ihrem Abwehrkampf gegen Russland ist die Ukraine auf Unterstützung anderer Länder angewiesen. Tut die Bundesregierung hier genug? Alt-Bundespräsident Gauck und andere Kritiker bezweifeln das.
Alt-Bundespräsident Joachim Gauck hat der Bundesregierung Zögern bei Waffenlieferungen an die Ukraine vorgeworfen. «Angesichts des zermürbenden Stellungskriegs und der abscheulichen Luftangriffe auf die ukrainische Zivilbevölkerung schaue ich sorgenvoll auf unser Tun und frage mich, ob unsere Unterstützung ausreicht», sagte er der «Bild am Sonntag».
Er habe mit Experten gesprochen, sagte Gauck auf eine Frage nach der von der Ukraine erbetenen Lieferung deutscher Taurus-Marschflugkörper. «Und nach diesen Gesprächen kann ich nicht mehr nachvollziehen, dass wir zögern, diese Waffe und weitere Munition zu liefern.»
Scholz will vorerst keine Taurus-Marschflugkörper liefern
Der Taurus ist einer der modernsten Flugkörper der Luftwaffe. Die Waffen finden auch aus großen Höhen und Entfernungen ihr Ziel und können etwa Bunkeranlagen zerstören. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte Anfang Oktober entschieden, vorerst keine Taurus-Marschflugkörper zu liefern. Dahinter steckte die Befürchtung, dass auch russisches Territorium von den Präzisionswaffen mit einer Reichweite von 500 Kilometern getroffen werden könnte.
«Der Kanzler muss sich immer wieder einmal fragen, ob er nicht hinter seinem formulierten Anspruch zurückbleibt, alles zu tun, damit Russland nicht zu einem Sieg-Frieden kommt», sagte Gauck. «Irritationen entstehen, wenn durch das Zögern der Regierung nicht nur die Chancen der Ukraine geringer werden, sondern die Bedrohung der freien Welt größer wird.»
Forderungen auch von anderen Politikern
Auch CSU-Chef Markus Söder forderte am Samstag vor der Eröffnung der Klausur der CSU-Bundestagsabgeordneten im oberbayerischen Kloster Seeon die Lieferung von Marschflugkörpern an die Ukraine. Es sei «die einzige ernsthafte Chance, damit die Ukraine neuen Mut findet und die Russen nicht gewinnen». Deutschland und der EU drohe ein «veritables Sicherheitsproblem», sollte Russland den Krieg gewinnen und gleichzeitig die USA sich künftig weiter aus den internationalen Krisen zurückziehen.
Politikerinnen und Politiker von Grünen, FDP und CDU unterstrichen in der Düsseldorfer «Rheinischen Post» (Samstag) die Notwendigkeit dieser Waffen und machten Scholz teils schwere Vorwürfe.
«Die Lieferung der Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine ist längst überfällig», sagte Sara Nanni, verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Bundestag. «Die Zurückhaltung geht vor allem vom Bundeskanzler aus und ist keine allgemeine Haltung der Bundesregierung.»