Vor dem «Herbst der Reformen» knirscht es in der Koalition
Autor: Andreas Hoenig, Vanessa Reiber und Christopher Weckwerth, dpa
, Sonntag, 24. August 2025
Sommer der Erholung? Eher nicht. Die Koalition streitet über zentrale Themen. Im Herbst könnte es ungemütlich werden.
In der schwarz-roten Koalition knirscht es vor dem angekündigten «Herbst der Reformen». Union und SPD streiten vor allem über den Kurs in der Steuer- und Sozialpolitik. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sagte beim Tag der offenen Tür der Bundesregierung in Berlin, im Herbst werde sich die Bundesregierung sehr viel stärker auf wirtschafts- und sozialpolitische Themen konzentrieren müssen. «Das wird für uns im Herbst eine anstrengende Arbeit.»
Beim Parteitag der niedersächsischen CDU in Osnabrück sagte Merz am Samstag: «Ich bin mit dem, was wir bis jetzt geschafft haben, nicht zufrieden. Das muss mehr werden.» Es brauche eine Neuausrichtung der Sozialpolitik.
Klingbeil: Sozialstaat nicht in Bausch und Bogen reden
Bundesfinanzminister und SPD-Chef Lars Klingbeil betonte die Notwendigkeit von Sozialreformen.«Wir müssen da jetzt richtig ran», sagte Klingbeil in einer Gesprächsrunde mit Bürgern in seinem Ministerium. Er machte aber ein sozial ausgewogenes Vorgehen zur Bedingung. Man dürfe den Sozialstaat nicht in Bausch und Bogen reden. «Was nicht funktionieren wird, ist, dass man sagt, wir sparen jetzt 30 Milliarden beim Sozialstaat ein», sagte der Vizekanzler. Es müsse am Ende ein Gesamtpaket sein, das alle in der Gesellschaft herausfordern werde. Klingbeil hatte zuvor Forderungen bekräftigt, dass Top-Verdiener höhere Steuern zahlen sollen.
Merz: Kommunikation muss besser werden
Die schwarz-rote Bundesregierung aus CDU, CSU und SPD ist seit Anfang Mai im Amt. Merz sagte am Samstag, zwar seien eine neue Migrationspolitik und Impulse für eine wirtschaftliche Wende angestoßen worden. Der Kanzler zeigte sich dennoch unzufrieden.
Um zu zeigen, dass Deutschland erfolgreich aus der Mitte heraus regiert werden könne, wünsche er sich eine SPD, die den gemeinsamen Weg «migrationskritisch und industriefreundlich» fortsetzt, forderte der Kanzler. Zudem müsse die Kommunikation der Koalition besser werden. Sowohl die SPD als auch die eigene Partei rief der CDU-Chef auf, nicht übereinander, sondern miteinander zu reden.
Vor allem die vor der Sommerpause geplatzte Wahl von neuen Richtern für das Bundesverfassungsgericht hatte für Konflikte in der Koalition gesorgt. Breite Debatten gab es auch über die Entscheidung, entgegen der Ankündigung im Koalitionsvertrag die Stromsteuer nicht für alle zu senken.
Klingbeil bleibt bei Linie
Derzeit sorgt vor allem die Steuerpolitik für Streit. Auch nach der Kritik aus der Union an seinem Steuer-Vorstoß bleibt Klingbeil bei seiner Linie. Den Zeitungen der Funke-Mediengruppe sagte er, er habe als sozialdemokratischer Finanzminister und Parteichef eine Grundüberzeugung: «Menschen, die sehr hohe Vermögen und Einkommen haben, sollten ihren Teil dazu beitragen, dass es in dieser Gesellschaft gerechter zugeht. Gerade in diesen extremen Zeiten.» Der SPD-Wirtschaftsexperte Sebastian Roloff konkretisierte im «Handelsblatt», es «nur fair, Spitzeneinkommen zum Beispiel ab 20.000 Euro monatlich etwas mehr zu belasten».