Von wegen "Zeitenwende": Wie groß ist Deutschlands Hilfe für die Ukraine tatsächlich?
Autor: Robert Wagner
Deutschland, Freitag, 24. Februar 2023
Geschlossen und entschlossen wollte man in Deutschland und der westlichen Welt Russlands Aggression in der Ukraine begegnen. Ein Jahr nach Kriegsbeginn muss man festhalten: Es wird einiges getan - aber deutlich weniger, als man vermuten könnte.
Ein Jahr ist es her, dass Russland mit zahlreichen Truppen in sein Nachbarland Ukraine einfiel. Ein Angriffskrieg mitten in Europa - ein Schock nicht nur für alle Ukrainer und Ukrainerinnen, sondern für die ganze Welt. „Die Welt nach dem 24. Februar 2022 ist nicht mehr dieselbe wie die Welt davor“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz anlässlich des Jahrestags des Kriegsbeginns.
Obwohl es in den letzten Jahrzehnten weltweit mehr als genug blutige Konflikte und auch Kriege gab, schien die Invasion Russlands doch eine neue Qualität zu besitzen. Denn in Europa wurde dieser Konflikt - anders als beispielsweise der brutale Bürger- und Stellvertreterkrieg in Syrien - als Bedrohung des Friedens in Europa und der freiheitlich-demokratischen Ordnung der westlichen Welt gesehen. Plötzlich war uns in Deutschland der Krieg so nah, wie seit dem Ende des Kalten Kriegs oder gar des Zweiten Weltkriegs nicht mehr.
Eine Zeitenwende ohne Wende?
Von einer „Zeitenwende“ sprach Bundeskanzler Olaf Scholz dann auch kurz nach Kriegsbeginn im Bundestag. Nicht müde wurden die westlichen Bündnispartner, der Ukraine unbedingte Unterstützung und Hilfe zuzusichern. „Deutschland steht fest an der Seite der Ukraine – heute und in der Zukunft“, sagte Kanzler Scholz anlässlich des Jahrestags des Kriegsbeginns. Schließlich sind die Zerstörung und das Leid in der Ukraine immens. Die UNO spricht beispielsweise von der größten Fluchtbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg – knapp ein Drittel der 41 Millionen Einwohner der Ukraine sollen auf der Flucht sein.
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Keine Frage also, dass auch die Antwort Deutschlands, der europäischen Länder und der NATO-Partner dementsprechend entschlossen und tatkräftig ausfallen musste. Oder etwa doch nicht? Eher nicht. Wenn man einen genaueren Blick auf den Krieg in der Ukraine und die Unterstützung des Westens wirft, wird schnell klar: Das gegenseitige Schulterklopfen der westlichen Staatslenker und die Mär vom geschlossen und entschlossen handelnden Westen ist genau das. Eine Geschichte, ein Symbol - aber keinesfalls der Versuch, den Konflikt und seine Folgen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu beenden.
Das belegen insbesondere die Zahlen des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel, die seit Beginn des Krieges alle Hilfen für die Ukraine erfassen und eine Datenbank für die militärische, finanzielle und humanitäre Unterstützung der Ukraine erstellt haben. Wie ist es also tatsächlich um die Hilfe für die Ukraine bestellt?
Wie groß ist Deutschlands Hilfe tatsächlich?
Hilfen in Höhe von etwa 143 Milliarden Euro haben alle Länder gemeinsam der Ukraine zur Verfügung gestellt. Enthalten sind hier alle Hilfen: Direktzahlungen, militärische Hilfe und humanitäre Unterstützung. Etwas mehr als die Hälfte davon haben allein die USA beigesteuert. Die europäischen Länder zusammen knapp 54,9 Milliarden Euro. Der deutsche Anteil daran liegt bei fast 14 Milliarden Euro. Mehr als die Hälfte davon entfällt auf die Flüchtlingshilfe, wird also vor allem innerhalb Deutschlands ausgegeben.
Das klingt zunächst nach viel Geld. Doch allein Deutschland hat seit Januar 2022 insgesamt 250 Milliarden Euro an Energiesubventionen angekündigt. Noch einmal: Die weltweit angekündigte Hilfe für die Ukraine beträgt inklusive Material, Kriegsgeräte und Flüchtlingshilfe nicht einmal 150 Milliarden Euro. Hingegen kostete die Rettung des angeschlagenen Gasimporteurs Uniper den deutschen Steuerzahler mehr als 30 Milliarden Euro. Der Tankrabatt und das 9-Euro-Ticket hat ungefähr so viel Geld gekostet, wie die bilateralen Hilfen Deutschlands an die Ukraine.