Virologin Ciesek warnt: "Booster-Kampagne reicht nicht aus"
Autor: Redaktion
Deutschland, Freitag, 17. Dezember 2021
"Im Moment habe ich das Gefühl, dass vermittelt wird, lassen Sie sich boostern und die Welt ist wieder gut - das ist nicht so", betont Sandra Ciesek. Die Virologin bewertet das Wegfallen der Testpflicht für Geboosterte als gefährlich - denn über Omikron wisse man einfach noch viel zu wenig.
Angesichts der Omikron-Variante des Coronavirus warnt die Virologin Sandra Ciesek vor überhöhten Erwartungen an Booster-Impfungen. Auch eine Auffrischimpfung sei kein hundertprozentiger Schutz vor einer Infektion, sagte die Direktorin des Instituts für medizinische Virologie des Universitätsklinikums Frankfurt in einer Videoschalte mit mehreren Wissenschaftlern. Sie verwies auf Fälle von bereits geboosterten Menschen, die sich selbst infiziert und auch andere Personen angesteckt hätten.
Ciesek warnte, sich zu sehr nur auf Booster-Impfungen zu verlassen und auf die Testpflicht für Geboosterte zu verzichten. "Im Moment habe ich das Gefühl, dass vermittelt wird, lassen Sie sich boostern und die Welt ist wieder gut - das ist nicht so." Es gelte weiter vorsichtig zu sein. Man wisse nach wie vor zu wenig über Omikron. Insbesondere bei Kontakt mit Risikogruppen sei Vorsicht geboten. Es brauche jetzt "alle Tools, die wir haben", so Ciesek: "Es reicht nicht, sich auf die Booster-Kampagne zu konzentrieren."
Booster-Impfung soll nur vor schwerem Krankheitsverlauf besser schützen, nicht vor Ansteckung
Experten nehmen an, dass der Schutz Geimpfter vor schwerer Erkrankung bei Omikron besser sein dürfte als der Schutz vor einer Ansteckung. Nach bisherigen Daten ist Omikron in Deutschland im Vergleich zur Delta-Variante noch selten. Angesichts der Erfahrungen anderer Länder wird aber eine sehr rasche Zunahme in den nächsten Wochen auch hierzulande befürchtet.
Aus Südafrika liegen die bislang umfangreichsten Daten zu Corona-Verläufen unter der Omikron-Variante vor. Ciesek warnt davor, diese Daten auf Deutschland zu übertragen. "Wir haben noch keine systematischen Daten für Deutschland und auch nicht, wie schwer die Erkrankungen sind", betont die Virologin. "Man kann noch nicht wirklich sicher etwas zur Krankheitsschwere bei uns sagen und wir dürfen uns auch nicht eins zu eins mit Südafrika vergleichen." Dort sei die Bevölkerung im Schnitt deutlich jünger und die bisherige Infektionsrate sehr viel höher. Die Politik müsse daher möglichst schnell handeln, um die Ausbreitung von Omikron zu bremsen.
Auch andere Experten rufen zu einem schnellen Handeln auf. Die Politik müsse Notfallpläne für verschiedene Szenarien auf den Tisch legen, forderte Dirk Brockmann nach Angaben von ntv. Der Leiter der Projektgruppe "Epidemiologische Modellierung von Infektionskrankheiten" vom Robert-Koch-Institut erklärt, er sei "außerordentlich besorgt".
Ausbreitung von Omikron könne nicht mehr gestoppt werden
Die Omikron-Ausbreitung noch zu stoppen, werteten Ciesek und Brockmann als ausgeschlossen, sie könne nur verlangsamt werden. Brockmann zog einen Vergleich mit dem Lockdown vom Frühjahr 2020, mit dem die erste Welle gebrochen worden sei. Damals sei das Virus aber nicht so übertragbar gewesen wie nun Omikron. "Ich bin da relativ pessimistisch, dass man mit Maßnahmen das Ding so brechen kann wie in der ersten Welle." Es gelte aber, alles zu tun, um den Schaden möglichst klein zuhalten.
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Zu erwarten sei laut Modellierungsstudien für Deutschland eine Entwicklung wie in Großbritannien und Dänemark, wo die Fallzahlen in die Höhe schossen. Auf die Frage, ob ein Lockdown zu erwägen sei, sagte Brockmann: "Man muss über alles nachdenken, aber nicht so lange." Er fürchte, dass es zu einer Kaskade unerwarteter Ereignisse kommen könnte. Bei sehr vielen Fällen gleichzeitig drohe zum Beispiel auch Krankenhauspersonal auszufallen.