Verzögerungen verteuern Energiewende um Milliarden
Autor: Carsten Hoefer, dpa
, Sonntag, 28. Januar 2024
Die Energiewende wird wegen vieler Verzögerungen teurer als nötig. An der Entstehung zusätzlicher Milliardenkosten maßgeblich beteiligt war die bayerische Politik. Die Kosten tragen alle.
Die deutsche Energiebranche rechnet für die nächsten Jahre mit weiteren Milliardenkosten für die Stabilisierung des deutschen Stromnetzes. Zu den Hauptursachen zählen die Verzögerungen beim Netzausbau und der gemessen am hohen Bedarf unzureichende Ausbau der erneuerbaren Energien im Süden.
Diese Faktoren machen nach Einschätzung von Verbänden, Unternehmen und Ökonomen auch in den nächsten Jahren ein aufwendiges «Netzengpassmanagement» notwendig.
Zahlen zu den Kosten des Engpassmanagements für das ganze Jahr 2023 gibt es noch nicht. Im ersten Halbjahr 2023 waren es laut Bundesnetzagentur über 1,6 Milliarden Euro, im Gesamtjahr 2022 4,2 Milliarden, in Teilen bedingt durch den Anstieg der Gaspreise.
Der Netzbetreiber Tennet geht davon aus, dass es an die zehn Jahre dauern könnte, die Kosten der Netzeingriffe wieder auf ein Minimum zu senken. Ob die Redispatch-Maßnahmen eventuell sogar weiter ansteigen könnten, ist nach Angaben des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) schwer vorauszusagen. «Kurzfristig ist noch nicht mit einer Entlastung der Redispatch-Kosten zu rechnen», prophezeite kürzlich Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung.
Regionale Unterschiede
Doch was bedeutet «Engpassmanagement»? Im Norden wird mehr Ökostrom produziert als verbraucht, im Süden ist es umgekehrt. Deswegen muss mehr Strom von Nord nach Süd transportiert werden. Weil der Bau der Hochspannungstrassen «Südlink» und «Südostlink» sich um Jahre verzögert, reicht die Leitungskapazität häufig nicht.
Dann werden Ökostromanlagen - darunter viele Windräder im Norden - «abgeregelt». Im Süden müssen konventionelle Kraftwerke hochfahren, die viel teureren Strom produzieren. «Es ist nicht immer möglich, den Strom von den Erzeugungsanlagen zu den Verbrauchern zu transportieren», formuliert ein Sprecher der Bundesnetzagentur diplomatisch.
So haben die für die Energiewende wichtigen Offshore-Windkraftanlagen in der Nordsee im vergangenen Jahr wegen Engpässen im Netz an Land weniger Strom geliefert als im Jahr zuvor. Insgesamt seien 19,24 Terawattstunden (TWh) Windenergie an Land übertragen worden, teilte Tennet der Deutschen Presse-Agentur mit. Das seien rund neun Prozent weniger als 2022. Rein rechnerisch könnte mit den 19,24 TWh der Jahresbedarf von rund sechs Millionen Haushalten gedeckt werden. Die gesamte Windstromerzeugung an Land und auf See in Deutschland bezifferte Tennet 2023 auf 148,97 TWh - 26,18 TWh mehr als im Jahr zuvor.