Es ist ein symbolischer Akt, sollte das Bundesverfassungsgericht die NPD - heute Die Heimat - von der Parteienfinanzierung ausschließen. Das Urteil dürfte in die Debatte um ein AfD-Verbot einfließen.
Für die Schülerinnen und Schüler im Sitzungssaal des Bundesverfassungsgerichts ist die Urteilsverkündung an diesem Vormittag eine Lehrstunde in Sachen Demokratiebildung. Die Atmosphäre aber eine gänzlich andere als auf den Demonstrationen gegen rechts der vergangenen Tage. Gut zwei Stunden erläutern drei Richterinnen am Dienstag, warum die rechtsextreme NPD - seit Juni in Die Heimat umbenannt - für sechs Jahre von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen wird. Es geht um Menschenwürde, das Demokratieprinzip - und jenseits des Urteils auch ganz schnell um die AfD.
So erklärt etwa Bundesratspräsidentin Manuela Schwesig (SPD): «Nun muss geprüft werden, welche Konsequenzen für die AfD gezogen werden können, die bereits in Teilen als rechtsextrem eingestuft ist.» CSU-Chef Markus Söder spricht von einer Blaupause für und gegen die AfD - unterhalb der Schwelle eines schwierigen und langwierigen Verbotsverfahrens. Es sind zwei Stimmen von mehreren in die Richtung.
Mit Blick auf Gedankenspiele Rechtsextremer, Menschen massenhaft aus Deutschland zu vertreiben, sagt Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD): «Der Rechtsextremismus ist die größte extremistische Bedrohung für unsere Demokratie - und für Menschen in unserem Land.» Von der Entscheidung des höchsten deutschen Gerichts gehe ein klares Signal aus: «Unser demokratischer Staat finanziert keine Verfassungsfeinde.»
Politisches Konzept nicht mit Grundgesetz vereinbar
Der Zweite Senat hatte zuvor erklärt, «Die Heimat» sei nach wie vor verfassungsfeindlich. Trotz Mitgliederschwunds und schrumpfender Wahlergebnisse überschreite sie mit ihren Aktivitäten die Schwelle vom bloßen Bekenntnis der Ablehnung zur Bekämpfung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und sei darauf ausgerichtet, diese zu beseitigen. Daher sei sie von der Staatsfinanzierung ausgeschlossen. Der Zeitraum von sechs Jahren ist dabei gesetzlich vorgegeben.
In zahlreichen Passagen zitiert das 129 Seiten starke Urteil unter anderem aus einer NPD-Kommentierung des Parteiprogramms, aus Äußerungen von Funktionären und aus Beiträgen in sozialen Netzwerken, warum die Partei aus Sicht des Gerichts gegen die Verfassung verstößt. Die Zitate strotzen nur so von Hass auf Ausländer und Migranten, wettern gegen Juden oder Muslime und stellen Deutsche über alles und die deutsche «Volksgemeinschaft» in den Mittelpunkt.
Das politische Konzept der Partei sei weiterhin nicht mit der Garantie der Menschenwürde im Sinne des Grundgesetzes vereinbar, erläutert die Senatsvorsitzende Doris König die einstimmige Entscheidung. Zur Verwirklichung der «deutschen Volksgemeinschaft» fordere die Partei die Trennung von Kulturen und Ethnien, eine umfassende rechtliche Besserstellung aller dieser Gemeinschaft Zugehörigen und die Abwertung des rechtlichen Status' aller nicht Zugehörigen. «Die Propagierung der ethnisch definierten «Volksgemeinschaft» hat eine gegen die Menschenwürde und das Gebot elementarer Rechtsgleichheit verstoßende Missachtung von Ausländern, Migranten und Minderheiten zur Folge», sagt König und nennt transsexuelle Menschen als Beispiel.
Darüber hinaus wende sich die Partei gegen das Demokratieprinzip. «Sie will die bestehende Verfassungsordnung durch einen an der «ethnischen Volksgemeinschaft» ausgerichteten autoritären Nationalstaat ersetzen», sagt König. Die Partei mache das bestehende parlamentarische System verächtlich und rufe zu dessen Überwindung auf.