Urteil im Cum-Ex-Skandal gegen Ex-Spitzenjurist erwartet
Autor: dpa
, Dienstag, 30. Januar 2024
Über Jahre prellen Banken und Investoren den Staat mit undurchsichtigen Aktiendeals um Milliarden. Nun wird ein weiteres Cum-Ex-Urteil erwartet. Erstmals geht es um die Rolle der Berater.
Im milliardenschweren Steuerskandal um Cum-Ex-Aktiengeschäfte muss ein früherer Spitzen-Jurist ins Gefängnis. Das Landgericht Frankfurt verurteilte einen ehemaligen Steueranwalt der Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer zu einer Haftstrafe von dreieinhalb Jahren wegen Beihilfe zur schweren Steuerhinterziehung in vier Fällen. Damit wurde erstmals ein Steueranwalt einer Großkanzlei für seine juristische Beratung bei Cum-Ex-Geschäften strafrechtlich belangt.
Der Anwalt hatte ab 2006 die inzwischen insolvente Maple Bank bei Cum-Ex-Deals mit Gutachten beraten. Er habe eine zentrale Position eingenommen und von Anfang an die nötigen Strukturen verantwortet, sagte der Vorsitzende Richter Werner Gröschel zur Urteilsbegründung. Damit habe er einen «aberwitzig hohen Steuerschaden» mitverursacht und «ganz erhebliche kriminelle Energie» gezeigt.
Ein mitangeklagter Ex-Maple-Banker wurde ferner zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt wegen Steuerhinterziehung. Bei ihm wird Vermögen von gut 1,9 Millionen Euro abgeschöpft. Er hatte schon zu Prozessauftakt ein Geständnis abgelegt und die Cum-Ex-Deals als «zu schön, um wahr zu sein» bezeichnet. Gegen das Urteil können Rechtsmittel eingelegt werden.
Gutachten gaben Cum-Ex Anstrich von Legalität
Bei Cum-Ex-Deals, die ihre Hochphase zwischen 2006 und 2011 hatten, nutzten Banken und andere Investoren eine Gesetzeslücke. Sie ließen sich eine einmal gezahlte Kapitalertragssteuer auf Dividenden mit Hilfe von Banken mehrfach erstatten. Dazu wurden um den Dividendenstichtag Aktien mit und ohne Ausschüttungsanspruch zwischen Beteiligten hin- und hergeschoben. Am Ende erstatteten Finanzämter Steuern, die gar nicht gezahlt worden waren.
Cum-Ex gilt als größter Steuerskandal der Bundesrepublik, es entstand ein Steuerschaden von geschätzt mindestens zehn Milliarden Euro. In den Skandal sind zahlreiche Banken verwickelt. Lange war unklar, ob Cum-Ex-Deals illegal waren. Erst 2012 wurde das Steuerschlupfloch geschlossen. 2021 entschied der Bundesgerichtshof, dass die Geschäfte als Steuerhinterziehung zu werten sind.
Viele Banken stützten sich zuvor bei der Einschätzung von Cum-Ex-Deals auf Gutachten von Kanzleien wie Freshfields als eine Art Freifahrtschein. Nach Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt handelte es sich im konkreten Fall um «Gefälligkeitsgutachten», die den Geschäften einen legalen Anstrich gaben. Zudem habe der frühere Top-Jurist den Steuerbehörden falsche Angaben gemacht. «Wir hätten die Geschäfte ohne die Gutachten nicht durchgeführt», hatte der verurteilte Maple-Banker im Prozess ausgesagt.
Steuerschaden von 388 Millionen Euro
Aufseiten der Maple Bank habe es durchaus Bedenken gegeben zu den Geschäften, die unter dem Namen «German-Pair-Strategie» liefen, sagte Richter Gröschel. Die Rede sei von einem «intuitiv-betrügerischen» System gewesen, aber nach der rechtlichen Einschätzung des früheren Freshfields-Anwalts habe die Maple Bank den Deals zugestimmt.