TV-Duell: Scholz und Merz kämpfen um Stimmen

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Olaf Scholz und Friedrich Merz lieferten sich ein intensives TV-Duell, bei dem zahlreiche Themen auf den Tisch kamen. Die Meinungen der Zuschauer waren geteilt, während die politischen Lager weiterhin stabil blieben.

90 Minuten Diskussion, oft faktenbasiert, teils scharfzüngig, das charakterisierte das erste Fernsehduell des Kanzlers und seines Kontrahenten von der CDU. Unter den Augen von fast einem Dutzend Kameras und wahrscheinlich Millionen Zuschauern von ARD und ZDF haben Olaf Scholz und Friedrich Merz zwei Wochen vor dem Wahltag nichts geschenkt.

Wirtschaft, Migration, Donald Trumps globale Politik, gegenseitige Unterbrechungen, Anschuldigungen. Doch hat das Duell bereits Weichen für einen Wahlsieg gestellt? Der SPD-Anwärter Scholz stand unter Druck: In den Umfragen hatte Merz' Union vor dem Duell einen stabilen Vorsprung, sie lag bei 29 bis 34 Prozent, während Scholz' SPD seit Wochen bei 15 bis 18 Prozent festzuhängen schien. Alle Informationen zur Bundestagswahl 2025 erhältst du in unserem Ticker.

Scholz als Gewinner des TV-Duells?

Theoretisch hätte Scholz einen Befreiungsschlag schaffen oder Merz seinen Triumph quasi festigen können. Doch um es vorwegzunehmen: Einer Schnellbewertung von Wahlforschern zufolge ist nichts davon eingetreten. Zwar sieht die Forschungsgruppe Wahlen den SPD-Politiker Scholz im Duell knapp mit 37 zu 34 Prozent vorne. Doch nahezu jeder Dritte erlebte keinen Unterschied zwischen den beiden Kandidaten. Was man dennoch mitnehmen kann aus dem Duell: 

Scholz und Merz hatten ihre Vorbereitungen getroffen. Der Unionskandidat konnte sogar einen Notizzettel aus der Jacketttasche ziehen, um eine frühere Aussage von Scholz zur AfD zu zitieren. Er brachte offensichtlich mit Bedacht gewählte Beispiele, um seine Aussagen zu untermauern. Scholz hingegen argumentierte teils detailliert, konnte komplexe Sachverhalte nicht immer einfach vermitteln. Trotz aller Vorbereitung unterliefen auch inhaltliche Ungenauigkeiten: Für das vergangene Jahr müsse man einen Nachtragshaushalt aufstellen, sagte Merz etwa - laut Bundesverfassungsgericht ist das jedoch nach Jahresende nachträglich nicht gestattet.

Außerdem warf Merz Scholz vor, "weit über zwei Millionen irreguläre Migranten nach Deutschland" gelassen zu haben. Die Bundespolizei registrierte zwischen Dezember 2021 und Januar 2025 allerdings nur gut 313.000 unerlaubte Einreisen. Auch Scholz lag falsch, als er behauptete, im Januar 2025 habe es den niedrigsten Wert an Asylgesuchen seit 2016 gegeben.

Thema Fachkenntnis: Scholz soll "ein wenig glaubwürdiger" herübergekommen sein

Scholz, der eigentlich für seine vorsichtige Kommunikation bekannt ist, musste offensiv agieren - und tat das nach einem etwas zähen Start auch wortgewandt. Mehrfach redete er einfach weiter, wenn eine der Moderatorinnen bereits die nächste Frage stellte. Er nannte Merz' Äußerungen wiederholt lächerlich, ließ sich auch mal aus der Reserve locken. Merz hingegen suchte betont die Rolle des Staatsmanns. Teils stellte er Scholz selbst Fragen. Meist blieb er sachlich, ließ Angriffe an sich abprallen.

In Merz' Miene konnte man zugleich aber mehr Regung erkennen als bei Scholz, der höchstens mal die Lippen zusammenkniff. Am Ende verabschiedeten sich beide per Handschlag, der Umgangston blieb zivil. Bei den befragten Zuschauern kam Scholz in der Summe ein wenig glaubwürdiger und sympathischer rüber. Beim Thema Fachkenntnis lagen beide Kontrahenten gleichauf. 

Zwar erreicht ein Schlagabtausch im Öffentlich-Rechtlichen ein breites Publikum, anders als in den USA haben TV-Duelle in Deutschland aber nur einen begrenzten Einfluss auf die Wahlentscheidung. Ein Personenkult um die deutschen Kanzlerkandidaten ist hier auch nach der besten Darbietung schwer vorstellbar. Die Wenigsten dürften sich von einem Abend in ihrer Wahlentscheidung beeinflussen lassen.

Politische Lager laut Forschern "festgefahren"

Überhaupt scheinen die politischen Lager laut Wahlforschern festgefahren zu sein. Seit Monaten verschieben sich die Verhältnisse in Umfragen kaum. Selbst nach der Empörung über die gemeinsame Abstimmung der Union mit der AfD im Bundestag und der folgenden bundesweiten Protestwelle blieben die Umfragewerte der Parteien daher nahezu unverändert. Bei der SPD setzt man deshalb auch eher auf eine Aufholjagd in kleinen Schritten als auf die plötzliche Kehrtwende nach einem verbalen Schlagabtausch.

Letztere dürfte das Duell am Sonntagabend (9. Februar 2025) angesichts des nur knappen Vorsprungs von Scholz jedenfalls nicht gebracht haben. Bis zur Bundestagswahl treten die Spitzenpolitiker noch in zahlreichen Fernsehformaten gegeneinander an. Eines dürfte dabei besonders hervorstechen: die Vierer-Runde der Sender RTL und ntv mit Scholz, Merz sowie Robert Habeck (Grüne) und Alice Weidel (AfD) am kommenden Sonntag (16. Februar 2025).

Die Strategien aus dem Duell werden sich darauf kaum übertragen lassen. Zum einen, weil es mit vier Kandidaten im Studio schwieriger ist, gezielte Angriffe gegen die Kontrahenten zu starten. Zudem könnte es unübersichtlich werden, wenn die Spitzenpolitiker sich im Kampf um Redezeit gegenseitig ins Wort fallen. Davon konnten selbst die erfahrenen Talkshow-Moderatorinnen Maybrit Illner und Sandra Maischberger schon Scholz und Merz nicht konsequent abhalten. Außerdem müssen sich Scholz, Merz und Habeck überlegen, wie sie mit AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel umgehen wollen. Eine Blockbildung Rot-Grün vs. Schwarz und Blau wird Merz nach den vergangenen Wochen wohl tunlichst versuchen zu verhindern.

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