Tristan lässt Isolde zurück im weiß flutenden Licht
Autor: Monika Beer
Innenstadt, Freitag, 24. Januar 2020
An der Oper Frankfurt hat Katharina Thoma Wagners "Tristan und Isolde" in einer stimmigen, abstrakten Ästhetik inszeniert. Vincent Wolfsteiner überzeugt in der Titelrolle.
Was sind das für Opernfreunde, die nach einer "Tristan"-Premiere die Isolde-Solistin ausbuhen, die mit Pausen fünf Stunden lang zweifellos sängerdarstellerische Höchstleistungen erbracht hat?
Natürlich sind die Geschmäcker verschieden. Aber Operngesang ist, zumal bei Wagner, per se etwas so Fragiles und Kostbares, dass derart herausgeblökte Ablehnung sich verbietet.
Normalerweise arbeiten Buhrufer sich an der Regie ab. Dass die Neuinszenierung von Katharina Thoma widerspruchslos über die Bühne ging, hat mit ihrer abstrakten Ästhetik zu tun. An den klaren, stimmigen und wunderbar beleuchteten Bildern in Schwarz-Weiß mit dem schwebenden, stehenden und schließlich zerstückten Plafond samt Beiboot (Bühne: Johannes Leiacker, Licht: Olaf Winter) und den heutigen Kostümen (Irina Bartels) muss sich niemand reiben. Am Konzept auch nicht. Höchstens an ein paar kleineren Regietheaterunarten, die sich die Professorin an der Musikhochschule Würzburg nicht verkneifen konnte.
Thoma versucht, wie andere vor ihr, der handlungsarmen Wagneroper mit genau konturierten und geführten Figuren und einem psychoanalytischen Ansatz beizukommen. Wenn Tristan im 1. Akt sehr abweisend, depressiv, ja beziehungsuntauglich erscheint, kommt das für sie nicht von ungefähr. Bei einem, der ohne Eltern aufwachsen musste, liegt es nahe, dass diese - allerdings gespenstisch gesichtslos - in den Fieberfantasien des 3. Akts auftauchen: Der Mann will gar nicht lieben, sondern nur sterben.
Isolde ist die Aktive in der von vornherein unmöglichen Affäre. Es braucht gar keinen Spezialtrank, sondern nur irischen Whisky, damit ihre Wut weicht.
Im gemeinsamen Tod erkennen beide ihr Liebesglück, das so allerdings nicht eintrifft. Tristan tötet sich selbst und lässt sie im aus Leuchtstoffröhren weiß flutenden Nichts, im Nirwana zurück: Isolde lebt!
Rachel Nicholls verkörpert eine noch junge, aber entschieden kühne Prinzessin. Dem entspricht ihre schnörkellose Stimme, die an den entscheidenden Stellen groß, aber nicht immer rund genug ist.