Grüne werden immer häufiger zur Zielscheibe
Autor: Anne-Beatrice Clasmann, dpa
, Donnerstag, 15. Februar 2024
Die Ampel-Regierung ist unpopulär. Das zeigen aktuelle Meinungsumfragen. Doch warum bekommen gerade die Grünen so viel ab von dem Ärger?
«Bereit, weil Ihr es seid», lautet der Slogan, mit dem die Grünen 2021 in die Bundestagswahl ziehen. Jetzt zeigt sich, dass ein Teil der Bevölkerung eben nicht bereit ist für die Veränderungen, die Politikerinnen und Politiker der Grünen in Regierungsverantwortung anstoßen wollen und teilweise auch schon umgesetzt haben. Und dass unter denjenigen, die mit den Ideen und der politischen Kultur der Partei fremdeln, einige sind, die auch vor bösartigen Beschimpfungen und Gewalt nicht zurückschrecken.
Beim politischen Aschermittwoch im baden-württembergischen Schorndorf behinderten Störer diese Woche die Abreise der Grünen-Bundesvorsitzenden Ricarda Lang und riefen «Hau ab!». In Biberach wurde eine geplante Veranstaltung mit Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir und anderen prominenten Grünen kurzfristig wegen Sicherheitsbedenken abgesagt, nachdem eine Demonstration aus dem Ruder gelaufen und ein Misthaufen vor die Treppen zur Stadthalle gekippt worden war.
Im vergangenen Jahr warf ein Mann bei einer Wahlkampfkundgebung in Neu-Ulm einen Stein auf das bayerische Grünen-Spitzenduo Ludwig Hartmann und Katharina Schulze.
Mehr Angriffe auf Einrichtungen der Grünen
Während es in den Jahren 2019 bis 2021 die AfD war, deren Parteieinrichtungen am häufigsten Ziel von Angriffen wurden, hat sich das Bild seit dem Regierungswechsel gedreht. Laut einer Statistik der Bundesregierung galten 2022 die meisten Angriffe Einrichtungen der Grünen, gefolgt von denen der AfD. Nach vorläufigen Zahlen gab es 2023 bundesweit 224 Angriffe auf Einrichtungen der Grünen. Gebäude und andere Einrichtungen von AfD und SPD wurden im vergangenen Jahr in jeweils 115 Fällen zur Zielscheibe.
«Die Grünen sind eine stark milieugebundene Partei, und noch stärker werden sie als eine solche wahrgenommen und beschrieben», sagt Robert Vehrkamp, der sich bei der Bertelsmann Stiftung mit Demokratie und gesellschaftlichem Zusammenhalt beschäftigt. Ihre Kernwählerschaft sei relativ stabil, ihre Anhänger vor allem Menschen, «die einer ökologischen und kulturellen Modernisierung positiv gegenüberstehen».
Gleichzeitig zeigten Untersuchungen der Stiftung, dass die Grünen in einigen Milieus der Gesellschaft stark polarisieren. Betrieben werde diese Polarisierung vor allem von der AfD, aber auch von Teilen der Freien Wähler, der Union und der FDP. Die zunehmenden Verbalattacken einiger Politiker gegen die Grünen befeuerten diese Polarisierung. Zudem seien die Grünen mit ihren Themen und Personen momentan sehr stark öffentlich präsent.
Themen der Grünen sind oft unbequem
«Die Grünen besetzen in der Regierung viele unbequeme Themen wie die Klimakrise, vor denen manche lieber die Augen verschließen würden» glaubt Elmar Brähler, der gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern regelmäßig Studien zu autoritären Einstellungen und Unzufriedenheit mit der Demokratie veröffentlicht. Als Reizthema identifiziert er zudem die von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock propagierte «feministische Außenpolitik», die nun von einigen ins Lächerliche gezogen werde.