Wann das Ausspähen mit Staatstrojanern verfassungswidrig ist
Autor: Jacqueline Melcher und Marco Krefting, dpa
, Donnerstag, 07. August 2025
Zur Aufklärung von Straftaten dürfen Ermittler teils verschlüsselte Nachrichten mitlesen und heimlich Handys durchsuchen. Das Bundesverfassungsgericht setzt dafür nun neue Grenzen.
Kommunikation findet heute oft im digitalen Raum statt. Bei der Strafverfolgung stellen unter anderem verschlüsselte Chats oder Anrufe über Messenger-Dienste wie Telegram und WhatsApp die Ermittler vor neue Herausforderungen. Eine Reform der Strafprozessordnung sollte 2017 Abhilfe verschaffen. Doch vor allem die darin enthaltenen Befugnisse zum Einsatz von staatlicher Späh-Software – auch Staatstrojaner genannt – sorgten für Kritik.
Auch dem Bundesverfassungsgericht gehen die Befugnisse der Strafverfolger in ihrer jetzigen Form zu weit. Das zeigt ein am Donnerstag veröffentlichter Beschluss des obersten deutschen Gerichts. Der Erste Senat erklärt die gesetzlichen Regelungen darin teils für verfassungswidrig - und setzt neue Grenzen für die heimliche Überwachung zur Aufklärung von Straftaten.
Um welches Gesetz geht es?
Die Strafprozessordnung (StPO) regelt die Durchführung von Strafverfahren und die Befugnisse der Ermittlungsbehörden in Deutschland. Im Sommer 2017 wurde sie von der damaligen großen Koalition aus Union und SPD durch das «Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens» reformiert. Das Gesetz löste schon damals großen Protest aus – vor allem wegen der darin enthaltenen Möglichkeiten der Anordnung einer Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) sowie Online-Durchsuchungen mit Hilfe sogenannter Staatstrojaner.
Was sind Staatstrojaner?
Als Staatstrojaner wird Späh-Software bezeichnet, die ohne Kenntnis des Verdächtigen auf seinem Computer oder Smartphone installiert wird. So können die Ermittler zum Beispiel Nachrichten über Messenger-Dienste wie WhatsApp mitlesen, die zwischen Geräten verschlüsselt übermittelt werden (Quellen-TKÜ) oder sogar sämtliche Daten auf dem Gerät durchforsten (Online-Durchsuchung).
Was ist Quellen-Telekommunikationsüberwachung?
Bei der klassischen Telekommunikationsüberwachung wird die Kommunikation eines Verdächtigen zum Beispiel über Telefon, E-Mail oder Chat-Nachrichten erfasst. Messenger-Dienste wie WhatsApp oder Telegram verschlüsseln aber oft die Chat-Nachrichten und Anrufe ihrer Nutzerinnen und Nutzer. Damit Ermittler bei der Strafverfolgung auch an diese Daten kommen können, wird die Kommunikation bei der Quellen-TKÜ erfasst, bevor sie verschlüsselt wird oder nachdem sie entschlüsselt wurde. Dazu wird mit einer speziellen Software auf das Endgerät (die «Quelle») direkt zugegriffen.
Was ist eine Online-Durchsuchung?
Die sogenannte verdeckte Online-Durchsuchung geht noch einen Schritt weiter. Auch hier greift die zuständige Strafverfolgungsbehörde mit technischen Mitteln in das Endgerät des Verdächtigen ein und erhebt daraus Daten. Im Gegensatz zur Quellen-TKÜ ist die Überwachung aber nicht auf die laufende Kommunikation beschränkt, sondern bezieht sich auf alle auf dem Gerät befindlichen Daten.
An welchen Maßstäben wurde der Einsatz bisher gemessen?
Für die Anwendung einer Quellen-TKÜ oder Online-Durchsuchung galten bestimmte Voraussetzungen. Sie setzten zum Beispiel den Verdacht einer schweren oder – im Fall der Online-Durchsuchung – besonders schweren Straftat voraus, die in dem Gesetz aufgelistet werden. Dazu zählen Mord, Totschlag oder Geldfälschung. Außerdem musste die Tat auch im Einzelfall schwer beziehungsweise besonders schwer wiegen und die Ermittlungen müssten auf anderem Wege wesentlich erschwert oder aussichtslos sein. Die Maßnahmen mussten jeweils von einem Richter angeordnet werden.