Merz will Straftätern die Staatsbürgerschaft entziehen - geht das so einfach?
Autor: Strahinja Bućan
Deutschland, Dienstag, 14. Januar 2025
Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz will Straftätern mit Doppelpass die deutsche Staatsbürgerschaft entziehen. Doch schon jetzt kann man sie unter bestimmten Umständen verlieren.
Der einfachere Zugang zur deutschen Staatsbürgerschaft war eines der Kern-Projekte der Ampel-Regierung. Menschen, die in Deutschland arbeiten und gut integriert sind, schon nach fünf statt wie bisher acht Jahren deutsche Staatsangehörige werden. Sie brauchen ihre bisherige Staatsangehörigkeit dafür nicht mehr aufzugeben. Besonders gut integrierte Ausländer können bereits nach drei Jahren eingebürgert werden.
Der CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz will dies aufweichen, wie er in einem Interview kurz nach dem Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt in Magdeburg andeutete. Die doppelte Staatsbürgerschaft sollte nicht der Regelfall sein, sondern künftig wieder auf begründete Ausnahmefälle beschränkt werden. Merz führte weiter aus: "Wir holen uns damit zusätzliche Probleme ins Land." Und: "Es müsste wenigstens auf der gleichen Ebene eine Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft möglich sein, wenn wir erkennen, dass wir bei straffällig werdenden Personen einen Fehler gemacht haben."
Merz will Straftätern Staatsbürgerschaft entziehen - Hürden bisher hoch
Konkret heißt das: Doppelstaatler sollen ihren deutschen Pass auch dann verlieren können, wenn sie wiederholt straffällig werden. "Uns geht es darum, eine Ausweitung der Tatbestände für den Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft bei Personen mit doppelter Staatsangehörigkeit zu prüfen, die mehrfach schwer straffällig geworden sind und damit eine Gefahr für die Sicherheit in unserem Land darstellen", sagte ein CDU-Sprecher gegenüber der Nachrichtenagentur dpa.
Tatsächlich kann die deutsche Staatsbürgerschaft nach geltendem Recht jetzt schon entzogen werden. Die Hürden dazu sind aber hoch und es müssen der Person schwerwiegende Verstöße und Vergehen nachgewiesen werden. Außerdem müssen die Behörden eine Sache beachten: Die betroffene Person darf nicht staatenlos werden, muss also noch eine weitere Staatsbürgerschaft haben. Laut der Beauftragten für Migration, Flüchtlinge und Integration kann man die deutsche Staatsbürgerschaft aus folgenden Gründen verlieren:
- Man will seine deutsche Staatsangehörigkeit aufgeben und hat dafür einen Antrag auf Entlassung gestellt. Zugleich hat man eine ausländische Staatsangehörigkeit beantragt und eine Zusicherung erhalten, diese zu bekommen.
- Man hat eine ausländische Staatsangehörigkeit erworben
- Man verzichtet auf seine deutsche Staatsangehörigkeit (und besitzt noch eine weitere Staatsangehörigkeit)
- Man wurde als Minderjährige/-r von einer ausländischen Person adoptiert
- Man tritt freiwillig und ohne Zustimmung der zuständigen Behörde in den Militärdienst eines ausländischen Staates ein, dessen Staatsangehörigkeit man ebenfalls besitzt
- Man besitzt neben der deutschen noch eine ausländische Staatsangehörigkeit und beteiligt sich konkret an Kampfhandlungen einer terroristischen Vereinigung im Ausland
- Man ist optionspflichtig und erklärt, dass man sich für die ausländische Staatsbürgerschaft entschieden hat
- Man hat die Staatsbürgerschaft durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben erworben
"Rückschritt" - scharfe Kritik an Merz-Vorstoß zur Staatsbürgerschaft
Doch muss man Deutschland umgehend verlassen, wenn man die Staatsbürgerschaft verloren hat? Nicht unbedingt, heißt es von der Beauftragten für Migration, Flüchtlinge und Integration. Man wird zunächst zum Ausländer und muss bei den zuständigen Behörden nach gängigem Verfahren eine Niederlassungserlaubnis beantragen - sofern man nicht verpflichtet wurde, auszureisen. Das entfällt bei Bürgern der EU, der Schweiz und Staaten des Europäischen Wirtschaftsraumes - die genießen nämlich Freizügigkeit in Deutschland.
Der Vorstoß von Friedrich Merz hat umgehend eine Welle der Kritik ausgelöst. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat den Vorstoß des CDU/CSU-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz für eine Reform des Staatsangehörigkeitsrechts als "falsch" zurückgewiesen. Er sei "sehr bedrückt" über den Vorschlag des CDU-Chefs, denn er bedeute "Rückschritt, wo eigentlich ein großer Fortschritt in Deutschland gerade erreicht worden ist", sagte Scholz in Ludwigsfelde bei Berlin. Diese Forderungen würden aus Eingebürgerten "Bürger zweiter Klasse machen", kritisierte wiederum SPD-Chefin Saskia Esken.