SPD im Abstiegskampf
Autor: Rolf Schraa und Theresa Münch, dpa
, Sonntag, 10. August 2025
Es ist der erste große Stimmungstest seit der Bundestagswahl: In NRW geht es um Rathäuser und Landratsämter - und für die SPD um viel mehr.
Als Bärbel Bas in Gelsenkirchen aus dem Auto steigt, drängen sich Genossen um sie. «Hallo Bärbel», sagt die Landtagsabgeordnete Christin Siebel und greift fest nach ihrer Hand. Die Parteichefin aus Duisburg ist für die gebeutelte SPD hier eine Hoffnungsträgerin. «Sie redet Klartext. Das kommt super an bei uns. Klar hat sie reichlich Fans», sagt ein Gelsenkirchener Sozialdemokrat.
Optimismus, den kann die SPD gerade gut gebrauchen. In Nordrhein-Westfalen stehen am 14. September Kommunalwahlen an - und es geht nicht nur um Hunderte Bürgermeister und Landräte, sondern auch um den ersten großen politischen Stimmungstest seit der Bundestagswahl im Februar. Ein Stimmungstest auch für die mit vielen ungelösten Problemen in die Sommerpause gegangene schwarz-rote Koalition in Berlin.
NRW - ein Gradmesser für den Bund
Denn NRW ist nicht nur das bevölkerungsreichste Bundesland, sondern auch eine Art Blaupause der Republik: Großstädte und ländlicher Raum, Strukturwandel, überschuldete Kommunen, Migration. Stimmberechtigt sind landesweit rund 13,7 Millionen Menschen - mehr als in den ostdeutschen Bundesländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zusammen leben.
Angeschlagen in der Herzkammer
Einer Forsa-Umfrage von Anfang Juli zufolge drohen CDU, SPD und Grünen bei den Kommunalwahlen Einbußen, während AfD und Linke zulegen würden. Die SPD könnte landesweit bei 22 Prozent landen - immer noch deutlich besser als zuletzt im Bund, doch für NRW ernüchternd. Die Sozialdemokraten kämpfen um ihre einstige Herzkammer - und es ist ein Abstiegskampf: angeschlagen, wo man einst unschlagbar war.
Bei der Bundestagswahl im Februar haben sie es noch einmal geschafft. Zwischen Duisburg und Dortmund, das Ruhrgebiet: Rot. Doch schon hier zeigte sich, was viele nun fürchten: Die AfD ist der SPD im «Pott» dicht auf den Fersen. In der einstigen Hochburg Gelsenkirchen gewann zwar der SPD-Kandidat Markus Töns das Direktmandat. Bei der Zweitstimme, der für die Partei, lag aber die AfD erstmals hauchdünn vorn. Essen II, Duisburg II: ebenfalls knapp.
Dass ein AfD-Politiker in NRW in ein größeres Rathaus einziehen könnte, hält Politikwissenschaftler Norbert Kersting von der Universität Münster allerdings für unwahrscheinlich. In diesen Gemeinden seien für Mehrheiten in der Regel Koalitionen nötig. «Dies scheitert wohl auch langfristig an der bestehenden Brandmauer der Parteien, die sich rigoros von der AfD distanzieren», sagt er. Kersting rät zur inhaltlichen Auseinandersetzung mit der Partei. «Im kommunalen Bereich fehlt es den AfD-Politikern oft an der notwendigen Expertise in den vielfältigen kommunalen Themenbereichen», sagt er.
Die SPD-Prototypin
Bas kommt jetzt, um die Abstiegskämpfer dabei zu unterstützen: Ihren eigenen Wahlkreis Duisburg I hat sie im Februar ganz klar eingesackt. Jetzt schüttelt sie Hände, streichelt Hunde - und trinkt auch mal ein Bier mit. Die SPD-Chefin sucht den Kontakt.