Showdown in der Domstadt
Autor: Christoph Hägele
Bamberg, Montag, 23. Sept. 2019
Vor 100 Jahren flieht die Regierung nach Bamberg. Als die Ministerien ankommen, erkennt ein Kriegsheimkehrer einen grausamen Hauptmann. In seinem Debüt verbindet der Bamberger Autor Michael Heger das Große mit dem Kleinen.
Der elende Dreckskerl also, er lebt noch. Ist von keiner höheren Gerechtigkeit zur Rechenschaft gezogen worden. Hat sich vor keinem irdischen Gericht rechtfertigen müssen für das, was er an den Frontverläufen des Ersten Weltkriegs Gustav Grüner und seinen Kameraden Willy, Hans und Kaspar angetan hat.
Der Dreckskerl, er lebt. Steht in einer Bamberger Gaststätte rum. Als sei nichts gewesen. "Warum überleben immer die Falschen?", denkt Gustav Grüner. Er taumelt, er fällt. Blut.
Mitten rein ins Geschehen
Mit den ersten Sätzen ist der Ton gesetzt. Michael Heger stößt seine Leser mitten rein in seine Geschichte, in die Konstellationen, Schicksale und Konflikte.
Für eine gemächliche Entfaltung von Zeit und Verhältnissen hat der in Bamberger lebende Autor keine Zeit. Sein Roman "1919. Es ist doch eine neue Zeit jetzt" legt die Karten sofort auf den Tisch.
Hegers Debüt spielt in Bamberg und es spielt im titelgebenden Jahr 1919. Der Erste Weltkrieg ist vorbei und doch auch nicht. Das auf dem Schlachtfeld geschlagene und in seinem stolzen Selbstbild gekränkte Deutschland muss sich neu erfinden.
Wieder sterben Menschen. Dieses Mal nicht auf den Schlachtfeldern für den Ruhm und die Machtkalküle des Kaiserreichs. Dieses Mal in den Städten und Dörfern, im Streit darum, wie freiheitlich oder autoritär das aus den Trümmern von Krieg und Monarchie entstehende Deutschland sein soll. Nicht einmal die bayerische Regierung kann sich der Gewalt entziehen. Sie flieht vor den Anhängern der Räterepublik nach Bamberg. Dort in der Domstadt weiß Gustav Grüner immer noch nicht, wie das gehen soll: leben nach den eigenen Maßstäben und dabei glücklich werden.
Frucht vor Ablehnung
Mit Gustav Grüner hat Heger einen gleich mehrfach gebrochener Held entwickelt: Grüner ist ein an der Seele versehrter Kriegsheimkehrer; ein Homosexueller, der sich aus Angst vor Ablehnung und Repression in eine Scheinehe flüchtet; Grüner ist schließlich der designierte und von seinem Vater doch verachtete und deshalb ausgebremste Erbe einer Gaststätte.