«Shit, voll schiefgelaufen» - 10 Jahre Dieselskandal bei VW
Autor: Kilian Genius, Frank Johannsen und Christian Brahmann, dpa
, Donnerstag, 11. Sept. 2025
Vor zehn Jahren flog der Dieselskandal bei Volkswagen auf und erschütterte nicht nur den Konzern. Wie ist heute der Blick auf einen der größten Wirtschaftsskandale?
Auf den Straßen von Kalifornien haben drei Studenten eine Welle ausgelöst, die wenig später als Tsunami im niedersächsischen Wolfsburg aufschlug: Ihre Tests mit einem VW Jetta im Frühjahr 2013 führten mit zur Aufdeckung der Abgasaffäre im Herbst 2015. «Dieselgate» erschütterte Europas größten Autobauer und brachte den Konzern ins Wanken. Zehn Jahre später ist einer der größten Skandale der deutschen Industriegeschichte längst aus dem Fokus. Das bedeutet aber nicht, dass alle Wogen geglättet sind.
Von einem selbst verursachten «Kulturschock» sprach VW-Chef Oliver Blume jüngst auf der IAA Mobility in München. Der Konzern habe aber aus seiner Sicht Lehren daraus gezogen. Es seien Compliance-Prozesse installiert worden, die Kultur bei Volkswagen habe sich verändert und dabei auch die Art und Weise, wie der Konzern geführt werde. «Wir haben die Produktstrategie verändert», sagte Blume mit Blick auf die Transformation zu mehr Elektromobilität.
Zäsur für Volkswagen
«Das war das einzig Gute an der Sache», sagte Helena Wisbert, Professorin für Automobilwirtschaft an der Ostfalia Hochschule Wolfsburg. Als Reaktion auf den Skandal sei E-Mobilität als Zeitenwende zelebriert und vorangetrieben worden. «Ansonsten wäre die Dieseltechnologie noch viel länger die erste Technologie geblieben», sagte Wisbert der Deutschen Presse-Agentur. Sie könne sich noch gut an 2015 erinnern. «Der Tag war eine Zäsur für VW. Danach hat sich alles geändert».
Am 18. September 2015 veröffentlichte die US-Umweltbehörde EPA die «Notice of Violation», in der VW beschuldigt wurde, mit einer Software Emissionsprüfungen für bestimmte Luftschadstoffe zu umgehen. Kurz zuvor hatte VW in den USA falsche Testergebnisse eingeräumt. «Shit, voll schiefgelaufen», soll ein VW-Entwickler in den Tagen gesagt haben, als sich die Katastrophe in Verhandlungen mit den US-Behörden nicht mehr abwenden ließ.
Gefängnisstrafen in den USA und Deutschland
Nach dem Bekanntwerden schmierten VW-Aktien ab und Vorstandschef Martin Winterkorn flog aus dem Amt. In den USA zahlte Volkswagen mehr als 20 Milliarden Dollar an Strafen und Entschädigungen. Auch in Deutschland wurden Bußgelder in Milliardenhöhe verhängt. Mittlerweile gibt es unzählige Urteile und sowohl in den USA als auch in Deutschland wurden Gefängnisstrafen gegen frühere VW-Mitarbeiter verhängt.
Ob der Prozess gegen Winterkorn jemals fortgesetzt wird, ist offen. Sein Verfahren wurde wegen gesundheitlicher Probleme unterbrochen und später wegen Verhandlungsunfähigkeit vorläufig eingestellt. In den wenigen Verhandlungstagen hatte «Mr. Volkswagen» jegliche strafrechtliche Verantwortung zurückgewiesen. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Experte: Kein Schummel, sondern knallharter Betrug
«Mit welcher Hybris geglaubt wurde, man käme mit so etwas durch, war für mich unfassbar», sagte Professorin Wisbert. Sie sei überrascht gewesen, dass den besten Ingenieuren der Branche nichts anderes eingefallen ist als zu manipulieren. Und auch Frank Schwope, der Automobilwirtschaft an der Fachhochschule des Mittelstands in Köln und Hannover lehrt, reagiert mit Kopfschütteln, wenn bis heute von «Schummeln» gesprochen wird. «Das ist kein Schummel, das ist knallharter Betrug gewesen», sagte der Branchenexperte.