Schutz jüdischen Lebens: Suche nach Strafbarkeitslücken
Autor: Anne-Beatrice Clasmann, dpa
, Freitag, 10. November 2023
Die Justizminister sehen ihre Aufgabe darin, «die rechtliche Bewältigung des Terrors der Hamas und seiner Auswirkungen auch in Deutschland bestmöglich zu gewährleisten». Sind dafür gesetzliche Änderungen nötig?
Die Justizministerkonferenz will prüfen, wie Jüdinnen und Juden in Deutschland womöglich besser vor antisemitischen Anfeindungen geschützt werden könnten. In einem Beschluss halten die Justizministerinnen und Justizminister der Länder fest, das Strafrecht müsse den Gefährdungen des öffentlichen Friedens, die sich aus der Leugnung des Existenzrechts des Staates Israels ergeben könnten, ausreichend Rechnung tragen.
«Sollten sich insbesondere in Ermittlungs- und Strafverfahren Schutzlücken im Hinblick auf das Existenzrecht Israels und den Schutz jüdischen Lebens, wie auch für den Erhalt des öffentlichen Friedens in Deutschland, offenbaren», wollen die Ressortschefs der Länder «schnellstmöglich gemeinsam mit dem Bundesminister der Justiz Vorschläge zur Behebung dieser Lücken erarbeiten», heißt es in dem Beschluss weiter. Derzeit hat Berlin den Vorsitz der Justizministerkonferenz inne.
Der zu der Konferenz als Gast eingeladene Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, begrüßte die Initiative zwar grundsätzlich. Er zeigte sich dennoch etwas enttäuscht und sagte, er hätte sich «klarere Arbeitshinweise» gewünscht für Polizisten, die bei Demonstrationen handeln müssten, bei denen entsprechende Parolen gerufen würden. Solche konkreten Handlungsanweisungen seien nicht Aufgabe der Justizminister, sondern beträfen die Innenminister, hieß es von den Konferenzteilnehmern.
Der israelische Botschafter, Ron Prosor, sagte, die Meinungsfreiheit sei ein wichtiges Gut. Doch wenn Molotow-Cocktails auf Synagogen geworfen und Davidsterne auf von Juden bewohnte Häuser geschmiert würden, sei das «eine rote Linie, die man überquert hat».
Antisemitische Vorfälle nach 7. Oktober
Anlass der Initiative der Justizminister waren antisemitische Vorfälle nach dem Überfall der islamistischen Hamas auf Israel am 7. Oktober. Die Bilder von Menschen, die in Deutschland den Hamas-Terror bejubelt hätten, seien «schwer erträglich und beschämend» gewesen, sagte die Vorsitzende der Konferenz, Berlins Justizsenatorin Felor Badenberg (parteilos). In dem einstimmig gefassten Beschluss heißt es, die Hamas trage neben der Verantwortung für den terroristischen Angriff auch «die Verantwortung für zahlreiche tote Zivilistinnen und Zivilisten, darunter auch viele Kinder in Gaza».
Der Deutsche Richterbund (DRB) erklärte, der Rechtsstaat trete bereits jetzt «antisemitischer Hetze auf den Straßen und im digitalen Raum mit aller Entschlossenheit entgegen». Mit ihrer geplanten Reform des Staatsangehörigkeitsgesetzes, das die Hürden für die Einbürgerung insgesamt senken soll, will die Ampel-Koalition künftig sicherstellen, dass Antisemiten nicht Deutsche werden. Grundsätzlich prüfen die Einbürgerungsbehörden in den Ländern, ob die Voraussetzungen für eine Einbürgerung vorliegen. Hierbei orientieren sie sich an Anwendungshinweisen des Bundesinnenministeriums.
In Bayern wird der bei propalästinensischen Demonstrationen oft verwendete Slogan «From the river to the sea» («Vom Fluss bis zum Meer») künftig strafrechtlich verfolgt. Die Generalstaatsanwaltschaft München teilte auf Anfrage mit, die neue rechtliche Bewertung gehe auf die Verbotsverfügung des Bundesinnenministeriums zur Terrororganisation Hamas sowie zum Verein Samidoun nach dem Angriff der Hamas auf Israel zurück. Zuerst hatte die «Süddeutsche Zeitung» berichtet. Noch im August hatte das Verwaltungsgericht Berlin entschieden, dass die Parole allein nicht per se strafbar ist.