Scholz stellt Vertrauensfrage: Was passiert, wenn er doch gewinnt?
Autor: Agentur dpa
Berlin, Montag, 16. Dezember 2024
Das hat es seit fast 20 Jahren nicht mehr gegeben: Der Kanzler fordert den Bundestag auf, ihm das Vertrauen auszusprechen - um das Gegenteil zu erreichen.
Es ist der entscheidende Schritt auf dem Weg zur Neuwahl des Bundestags am 23. Februar: Unter Berufung auf Artikel 68 des Grundgesetzes wird Bundeskanzler Olaf Scholz die Abgeordneten am heutigen Montag, 16.12.2024, im Parlament auffordern, ihm das Vertrauen auszusprechen - um das Gegenteil zu erreichen.
Wenn er wie beabsichtigt keine Mehrheit im Bundestag bekommt, wird er gleich nach der Sitzung ins Schloss Bellevue fahren und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vorschlagen, den Bundestag aufzulösen. Dann fehlt nur noch dessen Zustimmung. Wir erklären, wie die Vertrauensfrage abläuft und was passiert, wenn Scholz wider Erwarten doch gewinnt.
Warum macht Scholz das?
Die Vertrauensfrage ist für ihn die einzige Möglichkeit, selbst eine vorgezogene Bundestagswahl herbeizuführen. Er hatte diesen Schritt bereits am 6. November unmittelbar nach dem Rausschmiss von FDP-Finanzminister Christian Lindner und dem Aus seiner Ampel-Koalition angekündigt.
Seitdem führt er eine von SPD und Grünen getragene Regierung, die im Bundestag keine Mehrheit mehr hat. Ohne Unterstützung aus der Opposition kann sie nichts mehr durchsetzen.
Worüber stimmt der Bundestag ab?
Scholz hat die Vertrauensfrage vergangenen Mittwoch bei Bundestagspräsidentin Bärbel Bas fristgerecht mehr als 48 Stunden vor der Abstimmung beantragt. Das von ihm persönlich unterzeichnete Schreiben besteht nur aus zwei Sätzen: "Sehr geehrte Frau Bundestagspräsidentin, gemäß Artikel 68 des Grundgesetzes stelle ich den Antrag, mir das Vertrauen auszusprechen. Ich beabsichtige, vor der Abstimmung am Montag, dem 16. Dezember 2024, hierzu eine Erklärung abzugeben."
Wie läuft die Bundestagssitzung ab?
Ab 11 Uhr kommen im Bundestag zunächst die Fraktionen separat zusammen, um sich auf die Abstimmung vorzubereiten. Um 13 Uhr beginnt die Plenarsitzung. Scholz wird seine Beweggründe für die Vertrauensfrage in einer etwa 25-minütigen Rede begründen. Es schließt sich eine zweistündige Aussprache an, in der Abgeordnete aller acht im Bundestag vertretenen Parteien zu Wort kommen werden. Anschließend wird namentlich abgestimmt.
Was bedeutet "namentliche Abstimmung"?
Das heißt, das Abstimmungsverhalten jedes einzelnen Abgeordneten wird etwa eine Stunde nach der mündlichen Verkündung des Ergebnisses durch Bundestagspräsidentin Bas veröffentlicht. Dann wird man sehen, ob es sogenannte Abweichler gibt, also Abgeordnete, die gegen die Linie der eigenen Fraktion oder Gruppe gestimmt haben.