Scheitern vor den Augen der Familie: Wahldebakel von Merz und die Folgen
Autor: Agentur dpa, Robert Wagner
Berlin, Dienstag, 06. Mai 2025
Der CDU-Chef gerät auf dem Weg ins Kanzleramt ins Wanken. Im Bundestag fällt er im ersten Versuch durch. Es ist ein Scheitern ohne Beispiel. Aber er ist an solche Situationen schon gewöhnt.
CDU-Chef Friedrich Merz hat auf dem Weg ins Kanzleramt überraschend einen schweren Rückschlag erlitten: Der 69-Jährige scheiterte bei der Wahl im Bundestag im ersten Wahlgang. Eine Situation, in der noch keiner der bisher neun Kanzler vor ihm war. Union und SPD wollen trotzdem mit Merz in einen zweiten Wahlgang gehen - so früh wie möglich.
Was für den Mann aus dem Sauerland der bislang größte Tag in seiner politischen Karriere werden sollte, wird zum Debakel. Es dürfte einen dunklen Schatten auf seine Kanzlerschaft werfen - wenn denn am Ende überhaupt noch etwas daraus wird.
Frau und Töchter im Moment des Scheiterns auf der Tribüne
Seine Frau Charlotte, seine beiden Töchter Carola und Constanze und Ex-Kanzlerin Angela Merkel (CDU) verfolgten von der Tribüne, wie Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) wenige Minuten nach 10.00 Uhr das Scheitern im ersten Wahlgang verkündete. Merz erhielt in geheimer Abstimmung 310 von 621 abgegebenen Stimmen und damit 6 weniger als die nötige Mehrheit von 316. Die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD haben zusammen 328 Sitze im Parlament.
Das ist in der Geschichte der Bundesrepublik in der Form ein Novum: Noch nie ist nach einer Bundestagswahl und erfolgreichen Koalitionsverhandlungen ein designierter Kanzler bei der Wahl im Bundestag durchgefallen. Merz zeigte bei der Verkündung des Ergebnisses kaum eine Regung: versteinerte Gesichtszüge, der Kiefer fest, der Blick geradeaus.
Merz kennt solche Momente. Nach dem Aufstieg Merkels schied er frustriert aus der Politik aus, weil es für ihn keine Karriereperspektive unter ihr gab. Sein Comeback direkt an die Parteispitze gelang erst im dritten Anlauf, nachdem er zwei Kampfkandidaturen verloren hatte. Er ist aber immer wieder aufgestanden. Und hat es jetzt nach fast ganz oben geschafft. Aber bisher eben nur fast.
Geschäftsführer Scholz regiert jetzt erstmal weiter
Dabei sah am Montag noch alles so gut aus: Union und SPD hatten mit der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags das fünfte schwarz-rote Bündnis in der Geschichte der Bundesrepublik besiegelt und ihre letzten Personalfragen geklärt. Mit der Kanzlerwahl wollten die beiden Fraktionen nun die letzte Hürde auf dem Weg zu einer funktionsfähigen Regierung ein halbes Jahr nach dem Aus der Ampel-Koalition nehmen.
Das ist nun erstmal auf Eis gelegt. Die geplante Ernennung von Merz durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ist zunächst geplatzt. Die Vereidigung des Kabinetts auch. Genau wie die bereits geplanten Amtsübergaben in den Bundesministerien.