Im kleinen Saarland gibt es derzeit einen bestätigten Fall eines Wildvogels, der an der H5N1-Variante des hochansteckenden Geflügelgrippe-Virus erkrankt ist. Hinzu kommen fünf weitere noch nicht bestätigte Nachweise. Dennoch verhängte das Land eine allgemeine Stallpflicht. Bei Verstößen können nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums Bußgelder von bis zu 30.000 Euro verhängt werden.
In Hamburg gilt wegen der Geflügelpest ab Freitag ebenfalls eine Stallpflicht, wie die Verbraucherschutzbehörde mitteilte. Die Hansestadt zählt bisher drei festgestellte Fälle von Geflügelpest bei Wildvögeln und 14 Verdachtsfälle bei Wildvögeln.
Landwirt: «Sicher ist sicher»
Gerhard Lorson hat seinen Stall bereits zugemacht. «Sicher ist sicher», sagte der Halter von rund 15.000 Hühnern im saarländischen Wadgassen-Differten. Keiner wolle, dass ein infizierter Kranich auf seinem Gelände lande - und man dann seine Tiere töten müsse.
«Bei uns fliegen auch die Zugvögel drüber und wenn man sie nachts hört, dann zuckt man schon zusammen», sagte Lorson. Normalerweise habe er rund 6.000 Tiere im Freilaufgehege. Sie könnten aber weiterhin in den «Wintergarten» im Stall - mit Dach und Zaun. «Da können sie genug bei frischer Luft rennen», sagte Lorson.
Zur Stallpflicht gibt es aber auch kritischere Stimmen: «Eine Stallpflicht für im Freiland lebende Gänse und Enten ist sicherlich eine nachvollziehbare Maßnahme, aus Sicht des Tierschutzes jedoch problematisch einzustufen», sagte Landwirt Malte Voigts aus Brandenburg, der auf Freilandhaltung setzt.
Brandenburg setzt bei Stallpflicht auf Entscheidung der Landkreise
Das Land Brandenburg setzt vorerst auf Freiwilligkeit der Landkreise und deren Risiko-Einschätzung - bislang haben 13 von 14 Kreise die Stallpflicht verhängt. In einem Landkreis war bisher kein Ausbruch festgestellt worden. Eine Stallpflicht-Anordnung des Landes bezeichnete die Agrarministerin Hanka Mittelstädt als «nächste Eskalationsstufe».
Landwirt klagt über Ertragsausfall
Der wirtschaftliche Schaden, der Agrarbetrieben durch die Tötung ihres Geflügels entsteht, lässt sich insgesamt nur schwer abschätzen. Ein Teil des Schadens ersetzt die Tierseuchenkasse. «Eine Existenzbedrohung für Betriebe darf es nicht geben», mahnte Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD).
Landwirt Voigts aus Brandenburg nennt einen Ertragsausfall von etwa 730.000 Euro. Der Betrieb musste 5.000 Gänse und 3.600 Enten töten lassen. Der Verlust sei auch durch die Entschädigung nicht ganz wettzumachen, da der Hof spätestens zum traditionellen Martinsgans-Essen bis über Weihnachten vom Geschäft rund um das Geflügel geprägt sei. In einem anderen Landkreis in Brandenburg waren zwei Großbetriebe betroffen: Rund 130.000 Enten und Masthähnchen wurden gekeult.
Kontroverse und auch Vorwürfe an Geflügelwirtschaft
Von Naturschutz-Organisationen werden nun auch Vorwürfe an die Geflügelwirtschaft laut. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) in Brandenburg schrieb in einer Mitteilung: «Nicht die Wildvögel sind die Ursache des verheerenden Ausbruchs der Vogelgrippe in Brandenburg, sondern die Massentierhaltung von Geflügel.» Mist und Kot der Tiere würden unbehandelt auf Felder ausgebracht. Rastende Kraniche hielten sich zur Nahrungssuche auf diesen Flächen auf und infizierten andere Tiere, lautet ein Vorwurf.
Der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft teilte auf Anfrage mit: «Eine pauschale Schuldzuweisung an die Branche entbehrt jeder fachlichen Grundlage.» Die wissenschaftliche Datenlage sei eindeutig: Wildvögel, insbesondere Wasservögel, seien «das natürliche Reservoir» für Vogelgrippe-Viren.