Russen haben sich an Sanktionen gewöhnt
Autor: Ulf Mauder, Christian Rothenberg und Wolfgang Jung, dpa
, Dienstag, 20. Februar 2024
Der Westen wollte Russland mit Sanktionen wirtschaftlich in die Knie zwingen, um den Krieg gegen die Ukraine zu stoppen. Doch im Alltag ist kaum was spüren. Auch deutsche Unternehmen verdienen weiter.
In Moskaus schillernder Einkaufswelt haben nach dem kriegsbedingten Weggang einiger großer westlicher Ketten längst andere die Geschäfte übernommen. Im Jewropejski-Einkaufzentrum im Herzen Moskaus ist anders als nach Beginn der Sanktionen kaum noch Leerstand zu sehen. Es gibt Mode aus der Türkei, Technik von Miele oder Apple, darunter auch das neuste iPhone. Vieles, was es eigentlich nicht geben sollte, gelangt über Parallelimporte aus Drittländern in das Riesenreich. Die Warenwelt lässt zwei Jahre nach Kriegsbeginn keine Wünsche offen, wie Moskauer in Gesprächen betonen.
Das Staatsfernsehen tönt immer wieder, die vom Westen im Zuge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine erlassenen Sanktionen schadeten den Menschen in der EU deutlich mehr als der Rohstoffgroßmacht. Neben Öl und Gas gebe es auch sonst alles, was es zum Überleben brauche.
Zwei Jahre nach Beginn der Invasion, die Kremlchef Wladimir Putin am 24. Februar 2022 befohlen hatte, läuft die Kriegswirtschaft auf Hochtouren. Der Konsum brummt. Der Präsident betont, der Westen sei gescheitert mit seinen beispiellosen Sanktionen.
Zwar haben sich viele westliche Firmen, vor allem große wie Siemens, VW und Mercedes vom russischen Markt zurückgezogen, ihre Geschäfte – meist mit massiven Abschlägen – verkauft. Trotzdem ist die Mehrheit auch deutscher Unternehmen weiter in Russland tätig. Sie wollen oder können die über Jahre geleisteten Investitionen in Milliardenhöhe nicht einfach in den Wind schreiben.
Auch deutsche Firmen machen weiter Geschäfte in Russland
Der Großhandelskonzern Metro etwa verteidigt den Verbleib in Russland. «Wir tragen Verantwortung für unsere rund 9000 lokalen Mitarbeitenden und versorgen viele der klein- und mittelständischen Kunden - also Restaurants und Händler – mit Lebensmitteln», sagte ein Sprecher. Dem Unternehmen zufolge gab es in Russland seit Kriegsbeginn keine Wachstumsinvestitionen mehr.
«Wir verurteilen den Krieg aufs Schärfste», sagte Metro-Chef Steffen Greubel auf der Hauptversammlung Anfang Februar. Zugleich verwies er auf ausländische Unternehmen, die Russland verlassen wollten und «zwangsenteignet» wurden. Es sei nicht im eigenen Interesse, das Geschäft Oligarchen aus dem Umfeld der russischen Regierung zu überlassen, sagte Greubel. Metro hat in Russland 93 Märkte, 89 in eigenem Besitz.
Der Krieg hat bei Metro dennoch deutliche Spuren hinterlassen. Der Umsatz im Geschäftsjahr 2022/23 ging auch infolge der Kaufzurückhaltung deutlich um 7,9 Prozent in lokaler Währung zurück, der berichtete Umsatz wegen negativer Wechselkurseffekte noch stärker (minus 13,6 Prozent). Bei Metro wird erwartet, dass der Negativtrend anhält.