Die Wirtschaftsministerin steht auf einer Bühne und hält eine Grundsatzrede - und neben ihr steht die Büste von Ludwig Erhard. Viel mehr Symbolkraft geht fast nicht.
Im Zeichen Ludwig Erhards: Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche schlägt angesichts der langen Wachstumsschwäche eine grundlegende Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik vor. Die CDU-Politikerin sprach von einer «Agenda 2030». «Die Lage ist ernst, wirtschaftspolitisch ebenso wie sicherheitspolitisch», sagte Reiche in einer Grundsatzrede in Berlin. Deutschland drohe international den Anschluss zu verpassen und brauche ein umfassendes «Fitnessprogramm» - nach dem Prinzip: mehr Wettbewerb, weniger Staat.
Im Geiste Erhards
Reiche hielt ihre Rede auf einem Symposium ihres Ministeriums zur Sozialen Marktwirtschaft. Dabei wurde von den Leihgebern eine Ludwig-Erhard-Büste ans Ministerium zurückgegeben. Die Büste stand jahrelang im Foyer des Ministeriums. Dann wurde sie vor zwei Jahren entfernt – aus Protest gegen die Politik des damaligen Ministers Robert Habeck (Grüne).
Der legendäre Erhard, Wirtschaftsminister von 1949 bis 1963, steht wie kein anderer für das Wirtschaftswunder nach dem Zweiten Weltkrieg, verbunden mit «Wohlstand für alle» und dem Konzept der Sozialen Marktwirtschaft. Reiche will nun eine zeitgemäße Ordnungspolitik.
Staat soll sich zurückziehen
«Damit der Staat Handlungsfähigkeit zurückgewinnt, muss er sich auf seine Kernaufgaben konzentrieren», sagte Reiche. Dazu zählten innere und äußere Sicherheit, Infrastruktur und Bildung. «Subventionen und Förderprogramme müssen hingegen rigoros überprüft, Fehlanreize auch unter Schmerzen abgebaut werden.» Reiches Ideen stehen damit der Subventionspolitik Robert Habecks entgegen, der einzelne Konzerne etwa bei Halbleitern oder Batterien unterstützte.
In diesem Zusammenhang deutete die Ministerin Einschnitte bei der Heizungsförderung an. Beim Heizungstausch werde künftig mehr Eigenverantwortung gefragt sein. Sie bekräftigte ihr Ziel, in der Energiepolitik insgesamt die Kosten zu senken und sie marktwirtschaftlicher auszurichten. Dazu gehöre, dass Fördermaßnahmen effizienter ausgerichtet und im Zweifel auch stärker zugeschnitten werden sollten auf die Fälle, bei denen es tatsächlich auf die Förderung ankomme.
Große Umbrüche
Die Wirtschaftsministerin sprach in ihrer Rede mit Blick auf geopolitische Veränderungen und tiefgreifenden technologischen Veränderungen von radikalen Umbrüchen. Gemeint ist zum einen der wirtschaftliche Aufstieg Chinas und die Abhängigkeiten von Rohstoffen, zum anderen der Kurs der USA mit höheren Zöllen oder die Folgen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine.
Nach zwei Jahren in der Rezession wird für die deutsche Wirtschaft für das laufende Jahr eine Stagnation erwartet, im kommenden Jahr soll es leicht bergauf gehen. Reiche sagte aber, Deutschland kämpfe mit zahlreichen hausgemachten Standortproblemen und drohe international den Anschluss zu verpassen. Sie wählte große Worte: Es gehe um Erhalt von Wohlstand und um den Schutz von Freiheit und der Demokratie.