Rechte Umtriebe: Ein Hilferuf aus Brandenburg und die Folgen
Autor: Monika Wendel und Verena Schmitt-Roschmann, dpa
, Mittwoch, 23. Juli 2025
Die Bürgermeisterin von Spremberg hat mit einem Brandbrief gegen zunehmenden Rechtsextremismus viele aufgerüttelt. Ihre Kritiker sehen die Kleinstadt hingegen zu Unrecht am Pranger.
Am Laternenpfahl in der Nähe der Schule prangt ein Aufkleber der rechtsextremen Kleinstpartei «Dritter Weg»: «Deutschland den Deutschen». Unweit davon an einem Verkehrsschild Sticker der «Nationalrevolutionären Jugend». Jeder in Spremberg merke, wie das zugenommen habe, sagt Bürgermeisterin Christine Herntier. In ihrer Sprechstunde säßen Menschen voller Angst und Wut über die rechten Umtriebe in ihrer Stadt, manche in Tränen. Das könne man nicht einfach geschehen lassen, meint Herntier. Und darüber dürfe man nicht länger schweigen.
Mit einem Brandbrief zum Erstarken des Rechtsextremismus sorgt die parteilose Unternehmerin, seit 2014 Bürgermeisterin der Kleinstadt mit 22.000 Menschen im Südosten Brandenburgs, seit Tagen auch bundesweit für Aufsehen. Nun hat sie bei der Stadtverordnetenversammlung zur Diskussion gebeten. Die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger glaubt Herntier hinter sich. Aber in der Sitzung der 27 Stadtverordneten erhält sie auch Widerworte.
Aus den Reihen der AfD kommt der Vorwurf, die Bürgermeisterin schade dem Image der Stadt. Überhaupt handele es sich bei dem von Herntier beschriebenen Phänomen um eine «Randerscheinung», sagt der AfD-Abgeordnete Michael Hanko. «Ich glaube, dass das irgendwelche dumme Jungs waren.» Er nimmt die Bürgermeisterin scharf ins Visier: Während der Sommerpause werde geprüft, ob ein Abwahlverfahren angestrebt werde.
Rücktrittsforderungen an die Bürgermeisterin
Kritik an Herntier ist schon am Vormittag auf dem Marktplatz zu hören, wo sich eine kleine Gruppe Protestierender versammelt hat. Einige fordern den Rücktritt Herntiers. Auch hier heißt es, die Bürgermeisterin habe dem Ansehen geschadet. «Als Bürger der Stadt Spremberg fühle ich mich mit ihren Auftritten in die rechtsradikale Schiene gedrückt.»
Das werfe kein gutes Licht auf die Stadt, sagt eine Teilnehmerin. Sie habe hier keine Angst vor Rechtsextremen, sondern vor zugereisten Männern. An Schulen seien nicht Rechtsextreme das Problem, sondern ausländische Jugendliche. Eine andere Frau sagt, die Stadt werde in den Dreck gezogen. Sie habe noch nicht gehört, dass es hier eine rechtsextreme Szene gebe.
Herntier setzt sich zur Wehr
In der Stadtverordnetenversammlung setzt sich Herntier zur Wehr. «Geht das Problem weg, wenn wir es nicht benennen?», fragt die Bürgermeisterin in der Sitzung. Straftaten wie verfassungsfeindliche Symbole und Volksverhetzung seien nicht hinzunehmen, man müsse gemeinsam dagegen vorgehen. Sie zeigt Bilder mit rechten Schmierereien und Plakaten. «Wer findet es gut, wenn wir Gäste am Bahnhof so begrüßen?», fragt Herntier, die zuletzt 2021 mit mehr als 60 Prozent wiedergewählt wurde.
Viele in der Stadtverordnetenversammlung signalisieren Unterstützung. Wenn sich die rechte Jugendkultur erst festgesetzt habe, dann habe die Stadt in drei, vier oder fünf Jahren rechte Gewalttäter, sagt der Stadtverordnete und Sozialarbeiter Benny Stobinski (Wählergruppe «Die Spremberger»). «Dann haben wir diese Baseballschläger-Jahre.» Es sei richtig gewesen, die Entwicklung öffentlich zu machen, sagt Stobinski.