Premiere am E.T.A.-Hoffmann-Theater: Was Frauen wollen, zählt nicht
Autor: Christoph Hägele
Bamberg, Sonntag, 07. Oktober 2018
Der Staat macht seinen Untertanen das Leben zur Hölle, so wie Männer den Frauen das Leben zur Hölle machen. Mit "Das achte Leben" (Für Brilka)" eröffnete das ETA-Hoffmann-Theater am Samstag die neue Saison.
Freiheit vor dem Staat, Freiheit auch vor den eigenen Lebenslügen versprechen allein der Tanz und die Musik. "Tanze!", riefen aus dem Totenreich die Männer und Frauen der Familie Jaschi deshalb auch der jungen Brilka (Stefan Herrmann) zu.
Mit diesem programmatischen Geltungsanspruch der Kunst und damit auch des Theaters fand am Samstag ein unterhaltsamer, allerdings auch mit einigen Längen belasteter Premierenabend ein inspiriertes Ende. Mit der Bühnenfassung des Romans "Das achte Leben (Für Brilka)" eröffnete das E.T.A-Hoffmann-Theater die neue Saison.
Liebe, Verrat und Agonie
In ihrem Roman "Das achte Leben (Für Brilka)" folgt Nina Haratischwili der georgischen Familie Jaschi durch das 20. Jahrhundert. Sie erzählt von Liebe, Verrat und Selbstbetrug im Zeitalter des Sozialismus. Sie erzählt von dessen Aufstieg, Agonie und Verfall.
Für die Pervertierung des sozialistischen Gesellschaftsmodells fanden Regisseurin Sybille Broll-Pape und Dramaturg Remsi Al Khalisi im Gesicht der Christine (Angelika Bartsch) ein erschütternd klarsichtiges Bild. Um die Frau mit den bildschönen Konturen aus dem sexuellen Klammergriff der kommunistischen Nomenklatura zu befreien, glaubt ihr Mann Christine sie mit Säure überschütten zu müssen. Im entstellten Gesicht Christines gibt sich die hässliche Fratze des Sozialismus zu erkennen.
Die Jaschis leben ihr Leben zu den Bedingungen staatlicher Autorität. Als Symbol dieser Unterwerfung ließen Broll-Pape und Al Khalisi ihre Schauspieler auf einer sich unentwegt bewegenden Drehscheibe agieren. Deren Bewegung waren sie ausgeliefert. Einfluss auf die Scheibe hatten sie nicht.
Das Verhältnis zwischen Staat und Individuum spiegelt sich auf der Bamberger Bühne im Verhältnis zwischen den Männern und den Frauen. Die Frauen gieren nach Freiheit und Selbstverwirklichung. Die Männer (Stephan Ullrich, Bertram Maxim Gärtner und Stefan Herrmann) verpassen in den ideologischen Schützengräben ihr Leben.
Und so wie der Staat seinen Untertanen ein selbstbestimmtes Leben verwehrte, so verwehrten dieses die Männer den Frauen. Glücklich wurden sie beide nicht. Selbst der mit Macht und Einfluss ausgestattete Apparatschik Kostja (Stephan Ullrich) verkümmerte zu einem selbstmitleidigen Alkoholiker. Die Frauen bezahlten die Suche nach ihrem Platz in der Welt ohnehin oft genug mit dem blanken Leben.