Unachtsamkeit eines Generals führte zu Taurus-Leck
Autor: Michael Fischer, dpa
, Dienstag, 05. März 2024
Die Bundeswehr-Abhöraffäre ist im Kern aufgeklärt. Das Taurus-Leck wird auf einen individuellen Fehler zurückgeführt. Personelle Konsequenzen gibt es nicht - weil Putin keine Trophäe davontragen soll.
Das Verteidigungsministerium macht die Unachtsamkeit eines Bundeswehr-Generals in Singapur dafür verantwortlich, dass ein vertrauliches Gespräch über den Marschflugkörper Taurus von Russland abgehört wurde. Minister Boris Pistorius (SPD) sprach bei der Vorstellung der ersten Ermittlungsergebnisse von einem «individuellen Anwendungsfehler», der zu einem «Zufallstreffer» bei einer breit angelegten Abhöraktion der Russen während der Singapore Airshow geführt habe.
Personelle Konsequenzen will Pistorius vorerst nicht ziehen. Wenn nicht noch etwas Schlimmeres herauskomme, «werde ich niemanden meiner besten Offiziere Putins Spielen opfern», betonte er.
Am Freitag hatte Russland eine mitgeschnittene Schaltkonferenz von vier hohen Offizieren, darunter Luftwaffen-Chef Ingo Gerhartz, veröffentlicht. Darin erörterten diese Einsatzszenarien für die Taurus-Raketen für den Fall, dass sie doch noch an die Ukraine geliefert werden sollten. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat das zum jetzigen Zeitpunkt ausgeschlossen und sein Nein damit begründet, dass Deutschland dann in den Krieg hineingezogen werden könnte. Taurus hat eine Reichweite von 500 Kilometern und kann damit von der Ukraine aus auch Ziele in Moskau treffen.
Kein Fehler im Bundeswehr-Kommunikationssystem
Pistorius gab am Dienstag kurz vor einer Skandinavien-Reise das Zwischenergebnis der Untersuchungen des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) bekannt. Danach ist die Ursache des Taurus-Lecks kein Fehler im Kommunikationssystem der Bundeswehr, sondern der individuellen Unachtsamkeit eines Generals geschuldet, der sich von einem Hotel in Singapur in das Gespräch eingewählt hatte.
«Unsere Kommunikationssysteme wurden nicht kompromittiert», betonte Pistorius, der den Namen des Konferenzteilnehmers in Singapur nicht nannte. Aus dem Mitschnitt geht hervor, dass es sich um Brigadegeneral Frank Gräfe handelt.
Nach Angaben des SPD-Politikers fand das Gespräch der vier Offiziere vorschriftsgemäß über die Internetplattform Webex statt, die von der Bundeswehr in unterschiedlich geschützten Versionen für solche Gespräche genutzt werde. Dass diese Unterredung trotzdem abgehört werden konnte, liege daran, dass sich der Teilnehmer in Singapur nicht an das sichere Einwahlverfahren gehalten habe, sagte Pistorius. Er habe sich von Singapur aus über eine «nicht sichere Datenleitung» an dem Gespräch beteiligt, also über Mobilfunk oder WLAN.
Flugshow in Singapur «gefundenes Fressen» für die Russen
In dem südostasiatischen Stadtstaat fand zur Zeit des Gesprächs die Singapore Airshow statt, an der viele hochrangige europäische Militärs teilnahmen. «Für russische Geheimdienste nachvollziehbar ein gefundenes Fressen so eine Veranstaltung in diesem Umfeld», sagte Pistorius. In den genutzten Hotels hätten flächendeckend Abhöraktionen stattgefunden. Der Zugriff auf die Webex-Konferenz der Bundeswehr-Offiziere sei dann ein russischer «Zufallstreffer, im Rahmen einer breit angelegten, gestreuten Vorgehensweise» gewesen.