Druckartikel: Pippi Langstrumpfs junge Mutter fasziniert in Berlin

Pippi Langstrumpfs junge Mutter fasziniert in Berlin


Autor: Berthold Köhler

Berlin, Mittwoch, 21. Februar 2018

Warum die filmische Huldigung an Astrid Lindgren die Kinofans in Berlin in Banz zieht.
"Unga Astrid": In der Rolle der jungen Astrid Lindgren spielt sich Alba August in die Herzen der Berlinale-Zuschauer.Erik Molberg Hansen


Welcher Film warum in welcher der gut 20 verschiedenen Sparten der Internationalen Filmfestspiele in Berlin läuft - das weiß kein Mensch so genau.


"Berlinale special" ist so eine Reihe, in der das Publikum immer wieder mal die Chance hat, auf Filme zu treffen, die später auch mal im normalen Kinoprogramm auftauchen könnten. Dort war auch einer der diesjährigen Publikumslieblinge zu sehen: "Unga Astrid" von Pernille Fischer Christensen. Der Film erzählt die entscheidenden Jahre im Leben von Astrid Lindgren.


Der prägende Abschnitt im Leben der beliebten Kinderbuchautorin kam schnell. Astrid Lindgren war noch nicht einmal 20 Jahre alt, als sie schwanger wurde und anschließend ihren Sohn Lars bei einer Pflegefamilie lassen musste. Während dieses Lebensabschnittes spielt dieser Film, der wohl nicht den Anspruch unbedingter Authenzität hat, aber beste anspruchsvolle Kinounterhaltung bietet. Das liegt einerseits natürlich daran, dass Astrid Lindgren als "Mutter" von Pippi Langstrumpf oder dem Michel aus Lönneberga zum Glück bis zur heutigen Kindergeneration bekannt ist; andererseits aber auch an der Art und Weise, wie Pernille Fischer Christensen ihre Geschichte erzählt.


Schauspielerkino

Wäre "Unga Astrid" im Wettbewerb gelaufen, hätte es mit Alba August in der Rolle der Astrid Lindgren eine heiße Kandidatin für den silbernen Bären für die beste schauspielerische Leistung gegeben. Die junge und noch unbekannte in Dänemark geborene Schauspielerin (Tochter des Regie-Oscargewinners Bille August) gibt ihrer Figur die Kraft und Ausstrahlung, die Astrid Lindgren in den 20er Jahren sicher gebraucht hat, um als alleinerziehende Mutter über die Runden zu kommen.

Pernille Fischer Christensens Film ist ein interessantes Stück Zeitgeschichte, am Boden gebliebenes Schauspielerkino - leider noch ohne Starttermin für die deutschen Kinos. Aber das wird sich nach der Berlinale sicher ändern.
Ebenfalls klassisches Schauspielerkino präsentierte Rupert Everett mit "The Happy Prince" bei der Berlinale. Im Gegensatz zu "Unga Astrid" kommt die Geschichte der letzten Lebensjahre des Autors Oscar Wilde ("Das Bildnis des Dorian Grey") sicher in die deutschen Kinos: am 24. Mai.
Die breite Masse wird das Biopic nicht ansprechen, dafür sind Thema und Umsetzung zu spröde. Everett, Regisseur und Hauptdarsteller in Personalunion, spielt sich zweifellos 105 Minuten lang die Seele aus dem Leib. Gut, der dramatische Niedergang Wildes, der nach reichen und wilden jungen Jahren 46-jährig völlig verarmt in Paris starb, schreit nach so einer Herangehensweise. Der Kino-Mainstreamgeschmack eher nicht.


Ein filmisches Gedenken

Im Wettbewerb hingegen schwächeln die großen Nationen mit wenigen Ausnahmen gewaltig. So bleibt wenigstens Platz für Produktionen, die sonst im Kino eine eher unbedeutende Rolle spielen.
Einen sehenswerten, aber extrem schmerzhaften Film gab es aus Norwegen zu sehen: "Utøya 22. Juli". Um was es darin geht, ist klar - um den schrecklichen Angriff des rechtsradikalten Terroristen Anders Breivig auf das Jugendlager einer Parteiorganisation auf einer Insel nahe Stockholm. Nahezu in Echtzeit und mit ganz, ganz wenigen Schnitten verfolgt der Film von Erik Poppe den 72-minütigen Angriff.


Das ist schwer anzuschauen und wirft bei empflindlichen Gemütern vermutlich die Frage auf, ob man so eine Geschichte überhaupt erzählen muss. Darauf gibt der erste Satz, der im Film gesprochen wird, die richtige Antwort: "Du wirst das jetzt alles nicht verstehen. Aber hör einfach mal zu."


Es ist ein filmisches Gedenken, den 77 Opfern des Utøya-Massakers zuzuhören. Auch wenn es weh tut.