Pestizidzulassung ist Fall für Karlsruhe
Autor: Von Marco Krefting, dpa
, Montag, 22. Januar 2024
Vor der Einführung von Pflanzenschutzmitteln befassen sich vier Bundesbehörden damit. Entgegen Warnungen entscheidet am Ende oft ein Gericht in Braunschweig und es gelten Zulassungen anderer Länder.
Es geht um Unkraut, Schädlinge, Gift und die Frage, wer darüber entscheiden darf, welche Pflanzenschutzmittel in Deutschland auf den Markt und die Felder kommen. Um möglichst hohen Schutz zu gewährleisten und Schäden für Umwelt und Gesundheit auszuschließen, muss jedes Pestizid einzeln zugelassen werden.
Doch wer ein solches Produkt in Deutschland verkaufen will, kann die Zulassung über andere EU-Staaten beantragen. Dort werden Auswirkungen auf Mensch und Umwelt Experten zufolge teils aber deutlich weniger streng geprüft.
Immer wieder hat das Verwaltungsgericht Braunschweig entschieden, dass das in Deutschland nun mal so anerkannt werden müsse. Das wollen deutsche Behörden nicht länger hinnehmen: Sie haben in Karlsruhe am Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerde eingereicht - ein für die Bundesrepublik Deutschland ungewöhnlicher Weg.
Wie ist die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln generell geregelt?
In zwei Stufen: Die Europäische Kommission entscheidet, ob ein Wirkstoff für ein Pflanzenschutzmittel genehmigt wird. Ein Beispiel dafür ist Glyphosat. Das Präparat selbst braucht dann eine nationale Zulassung, um in einem Land verkauft und genutzt werden zu dürfen.
Wie läuft die Zulassung ab?
Die EU ist dafür in drei Zonen aufgeteilt, innerhalb derer die ökologischen und landwirtschaftlichen Bedingungen als annähernd vergleichbar gelten. So ist Deutschland in einer Zone unter anderem mit Polen, den Niederlanden und Österreich. Nach der EU-Pflanzenschutzverordnung können Hersteller einen Mitgliedstaat wählen, in dem sie eine Zulassung beantragen (Referenzmitgliedstaat). Alle Mitgliedstaaten der gleichen Zone müssen die Zulassung dann grundsätzlich anerkennen. Das wird gegenseitige Anerkennung genannt. Wie weit dieses Prinzip geht, ist jedoch umstritten.
Hat der anerkennende Staat dann in seinem Hoheitsgebiet kein Mitspracherecht mehr?
«Nein, meint das Verwaltungsgericht Braunschweig - jedenfalls nicht, soweit der Referenzmitgliedstaat die Gesundheits- und Umweltrisiken des Produktes bereits bewertet hat oder hätte müssen - und hebt unsere abweichenden Zulassungsentscheidungen damit immer wieder auf», erklärt Kim Teppe, Juristin beim Umweltbundesamt (Uba). Der Mitgliedstaat könnte nur noch geltend machen, dass das Produkt wegen spezieller ökologischer oder landwirtschaftlicher Bedingungen in dem Land «ein unannehmbares Risiko für die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt darstellt», wie es in der Verordnung heißt.
Als Beispiel wird in der Verfassungsbeschwerde, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, der Weinbau genannt. Er spiele in Deutschland eine größere Rolle als in anderen Ländern derselben Zone. Der Staat kann dann Vorgaben für die Anwendung machen oder - theoretisch - eine Zulassung verweigern.