Druckartikel: Nürnberger Otello-Inszenierung überzeugt nicht

Nürnberger Otello-Inszenierung überzeugt nicht


Autor: Monika Beer

Nürnberg, Montag, 07. Oktober 2013

Die Saison 2013/14 am Opernhaus Nürnberg startete am Samstag mit Giuseppe Verdis "Otello". Die Solisten überzeugen, die Inszenierung leider nicht.
Vincent Wolfsteiner als Otello und Ekaterina Godovanets als Desdemona Alle Szenenfotos: Ludwig Olah/Staatstheater Nürnberg


Bei William Shakespeare ist Othello, der Mohr von Venedig, eindeutig ein Mensch mit dunkler Haut - ein Schwarz-oder Nordafrikaner, in jedem Fall ein exotischer Außenseiter, der in der weltoffenen Serenissima Karriere machen darf. Giuseppe Verdis Otello, der fast 300 Jahre später erstmals in sein Bühnenleben trat, ist auch ein Schwarzer. Genau daran arbeiten sich im aktuellen Verdi-Jubiläumsjahr die Szeniker ab - mit unterschiedlichem Erfolg.

Am Staatstheater Nürnberg haben die Regisseurin Gabriele Rech und ihr Dramaturg Kai Weßler offenbar lange nach einer Lösung gesucht. Die im Programm veröffentlichten Fotos von der Klavierhauptprobe im Juli zeigen, dass sich danach in punkto Hautfarbe noch einiges verändert hat: Der ursprünglich stark gebräunte Otello-Protagonist war bei der Premiere am Samstag zunächst eindeutig ein Weißer, der sich erst schwarze Farbe ins Gesicht schmiert, als er abkommandiert und

ausgerechnet sein vermeintlicher Nebenbuhler Cassio zum Befehlshaber auf Zypern ernannt wird.

Sinnloser Wink mit dem Zaunpfahl
Die wohl späte Entscheidung für diese Farbvariante rächt sich, denn zumindest ein Regieeinfall wird dadurch absurd: Beim Huldigungsständchen im 2. Akt tritt ein als Otello und Desdemona verkleidetes Kinderpaar auf, bei dem der Junge nicht nur sichtlich ein Mohr sein soll, sondern auch noch auf dem Brautkleid des Mädchens schwarze Handabdrücke hinterlässt - ein sinnloser Wink mit dem Zaunpfahl.

Auch andere Szenen bleiben bestenfalls deshalb in Erinnerung, weil sie zu platt wirken oder Fragezeichen hinterlassen. Dass Alkohol Männer, noch dazu Soldaten, schnell enthemmt, ist eine Binse. Aber entbehrt es nicht jedweder Logik, dass die zypriotischen Frauen überhaupt nicht darauf reagieren, wenn die vermutlich britischen Besatzungssoldaten sich über eine der ihren hermachen? Die Inszenierung spielt übrigens nicht Ende des 15. Jahrhunderts, sondern um 1950.

Schlecht sitzende Kleider
Im Stil der fünfziger Jahre hat Gabriele Heimann jede Menge schlecht sitzender Roben für die venezianischen Edeldamen entworfen, während das Volk einschlägige Alltagskleidung trägt, dazu Kinder in Schuluniform mit zypriotischer Flagge und viel militärische Uniformen. Das erste Bild, die durchbrochene Kaimauer, ist eine Bankrotterklärung (Bühne: Dieter Richter), denn bei den chorreichen Szenen herrscht so drangvolle Enge an der Rampe, dass eine sinnstiftende Personenführung unmöglich ist.

Nach einer zu langen Umbaupause öffnet sich der Vorhang über einem heruntergekommenen Palazzo, der unter anderem als Offizierskasino samt Billardtisch durchaus nachvollziehbar genutzt wird, aber spätestens mit den handwerklich schlechten Projektionen im Festsaal seine Wirkung wieder einbüßt. Die Mängel der Ausstattung würden nicht ins Gewicht fallen, wenn die Inszenierung ein tragfähiges Konzept und eine stimmige Personenregie hätte.

Der Verfall ist zu rabiat
Hat sie aber nicht. Was vor allem an der Titelfigur liegt. Gabriele Rech will den "rapiden Verfall eines Helden" zeigen, nur geht sie dabei entschieden zu rabiat vor. Titelprotagonist Vincent Wolfsteiner muss von vornherein mit so viel darstellerischem Furor auftreten, dass das musikdramatisch klug disponierte Stück seine Plausibilität verliert. Kann ein sanftes Weibchen wie Desdemona mehr als einen Tag mit diesem Psychopaten aushalten, der sich ständig aufführt wie ein Raubtier im Käfig? Muss die ohnehin in der Musik gegebene Raserei unbedingt verdoppelt werden? Gibt es unter den vielen Figuren auf der Bühne keinen, der nicht erst am bitteren Ende erkennt, dass dieser Otello dringend ärztliche Hilfe gebraucht hätte?

Dass der Abend dennoch seine Meriten hat, liegt an den herausragenden Sängern. Bei der Premiere - sowohl Otello als auch Desdemona sind alternierend besetzt - konnten fast alle überzeugen, allen voran der als erkältet angesagte, aber sängerdarstellerisch uneingeschränkt auftrumpfende Mikolaj Zalasinski als Jago, die wunderbar aufblühende und zart betende Ekaterina Godovanets als Desdemona (deren Lied von der Weide einen Sonderapplaus verdient hätte) sowie Vincent Wolfsteiner als Otello, der die in jeder Hinsicht mörderische Partie mit Bravour bewältigt. Unter den weiteren Solisten lassen Judita Nagyova als Emilia und Hans Kittelmann als Rodrigo aufhorchen. Die Chöre unter Tarmo Vaask und die Staatsphilharmonie Nürnberg unter Guido Johannes Rumstadt realisieren einen frischen, unsentimentalen, im Tempo sehr variablen Verdiklang, der das Publikum immer wieder mitreißt.

Termine und Karten
Weitere Vorstellungen am 8., 10., 14., 18. und 20. Oktober, 26. und 30. Dezember sowie am 7., 12., 27. und 31. Januar; Karten-Telefon 0180/5231600.