Druckartikel: Notschlachtungen "ehe wir sie verhungern lassen": Tierpark Neumünster plant wegen Corona das Undenkbare

Notschlachtungen "ehe wir sie verhungern lassen": Tierpark Neumünster plant wegen Corona das Undenkbare


Autor: Robert Wagner

Neumünster, Mittwoch, 15. April 2020

Vor den finanziellen Problemen durch Corona hatten Zoos bereits vor einigen Wochen gewarnt. Wie ernst die Lage ist, macht ein Tierpark aus Neumünster deutlich: Laut Direktorin werden Notpläne zur Schlachtung der Tiere erarbeitet.


Unter der Corona-Krise leiden auch die Zoos und Tiergärten in Deutschland. Aufgrund der fehlenden Einnahmen geraten sie immer mehr unter Druck. Es drohen Insolvenzen - doch was wird dann aus den Tieren?

Der Tierpark Neumünster hat wegen der existenzbedrohenden Corona-Zwangsschließung Notpläne für das Schlachten seiner Tiere erarbeitet. Dort stehe auch, wer im Fall des Falles zuletzt auf die Schlachtbank kommt: Der 3,60 Meter große Eisbär «Vitus», sagte Zoodirektorin Verena Caspari.

Tierpark beklagt mangelnde Unterstützung - auch Nürnberg warnt

Hintergrund ist, dass der Tierpark zurzeit keine Einnahmen durch Besucher hat und ausschließlich durch Spenden am Leben erhalten wird. «Wir sind ein Verein», erklärte Caspari. "Wir bekommen keine städtischen Gelder, und alles, was wir bis dato an Landesgeldern beantragt haben, ist noch nicht eingetroffen bei uns. Wir überleben aktuell nur durch Spendengelder."

Noch reicht das. "Doch wenn - und das ist wirklich der aller worst, worst case - wenn ich kein Geld mehr habe, Futter zu kaufen, oder wenn es passieren sollte, dass mein Futterlieferant aufgrund neuer Restriktionen nicht mehr liefern kann, dann würde ich Tiere schlachten, um andere Tiere zu füttern." Das wäre dann aber der allerletzte Schritt.

"Das ist gar nicht so spektakulär, wie es sich anhört", sagte Zoodirektorin Caspari. Denn in bestimmten Fällen ein Tier zu töten sei sogar aus tierschutzrechtlichen Gründen vorgeschrieben. "Vorher könnte man natürlich auch versuchen, Tiere an andere Betriebe abzugeben. Das ist aber nicht mit allen Tieren so einfach."

Zum Beispiel Vitus, der Eisbär. Er zählt mit seinem Gewicht von ungefähr 700 Kilogramm zu den Größten seiner Art in Deutschland. "Wenn es hier ganz hart auf hart kommt, und der Tierpark aufgelöst werden müsste, kann ich den nicht einfach in eine Kiste stecken und woandershin transportieren." So ein großes Tier kriege man nicht mal eben schnell bei einem Kollegen untergebracht. "Es ist kein Pony, das man auch mal in einen Eselstall stellen kann. Er ist ein großes Raubtier, für das man eine adäquate Anlage benötigt." Doch Caspari ist zuversichtlich, dass es nicht soweit kommen wird. Andere Tierparks hätten versprochen, den Neumünsteranern Fisch und Fleisch zukommen zu lassen, "wenn hier der allerschlimmste Fall eintreten würde", sagte sie.

Tiergarten Nürnberg benötigt Hilfe: Wöchentlicher Umsatzverlust von einer halben Million Euro

Auch der Tiergarten Nürnberg hatte sich Ende März mit einer Pressemitteilung an die Öffentlichkeit gewandt: Darin wurde auf die Forderung des Verbands der Zoologischen Gärten hingewiesen. Demnach bräuchten die Tiergärten ein Soforthilfe-Programm in Höhe von 100 Millionen Euro.

 „Anders als andere Einrichtungen können wir unseren Betrieb nicht einfach runterfahren – unsere Tiere müssen ja weiterhin gefüttert und gepflegt werden“, sagte Jörg Junhold,  Präsident  des  Verbandes  und Zoodirektor in Leipzig. „Momentan arbeiten wir aber ohne Einnahmen bei gleichbleibend hohen Ausgaben.“ Wie gravierend die Lage ist, lässt sich daran erkennen, dass ein einzelner großer Zoo aktuell einen wöchentlichen Umsatzverlust von etwa einer halben Million Euro zu verkraften hat. Auch auf die Tiere wirkt sich die Corona-Krise aus - "die Affen vermissen die Besucher und den Trubel", so der Nürnberger Zoodirektor.

Wie kritisch die Lage ist, zeigt sich am Fall des Tierpark Neumünster: Der Focus  zitiert Zoodirektorin Caspari mit den Worten: "Im schlimmsten Fall werde ich Tiere euthanasieren müssen, ehe ich sie verhungern lasse." Auch andere Tierparks würden sich mit dieser Frage beschäftigen - auch wenn man nicht gerne darüber spreche. Um die Katastrophe zu verhindern, bittet der Tierpark in Neumünster um Spenden. rowa/mit dpa