Nordkorea - ein Pulverfass: Droht hier ein weiterer Krieg?
Autor: Werner Diefenthal
Korea, Mittwoch, 10. August 2022
Nord- und Südkorea sind geteilt. Will Kim Jong-un diese Teilung mit Gewalt rückgängig machen und dazu auch Atomwaffen einsetzen? Welche Folgen hätte ein solcher Krieg?
- Ursachen der Teilung
- Die Kim-Dynastie
- Über welche militärische Stärke verfügt Nordkorea?
- Was würde ein Krieg in dieser Region bedeuten?
- Wie würde die NATO reagieren?
- Was würde das für Deutschland bedeuten?
Seit 1945 sind Süd- und Nordkorea getrennt. Es gab in der Vergangenheit immer wieder Annäherungen, doch eine Zusammenführung ist weit entfernt, zu sehr trennen die beiden Staaten ihre politischen Systeme. Immer wieder droht Kim Jong-un mit Gewalt. Was will er erreichen und welche Folgen hätte ein Krieg in der Region?
Korea – zwei gegensätzliche Staaten
1910 wurde Korea eine japanische Kolonie. Vorausgegangen war die zwangsweise Öffnung des Handels Japans mit den USA auf Druck der Vereinigten Staaten. Dies nahm Japan zum Anlass, selber zur Kolonialmacht aufzusteigen und erpressten mittels ausgesandter Kriegsschiffe Korea zu einem "Freundschaftsvertrag", um dort seine Waren verkaufen zu können. Als Japan den Krieg 1904/1905 gegen Russland gewann, wurde die Situation für Korea dramatisch, denn Russland fiel als Schutzmacht aus und das Land wurde zunächst ein japanisches Protektorat, dann Kolonie. Die Bürger waren nun Bürger Japans, allerdings zweiter Klasse. Koreanisch wurde als Sprache verboten, man zwang die Menschen, japanische Namen anzunehmen. Japan beutete das Land rücksichtslos aus. Männer wurden zur Zwangsarbeit verpflichtet, koreanische Frauen wurden zu sogenannten Trostfrauen, die japanischen Soldaten als Prostituierte zur Verfügung stehen mussten.
Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges und damit auch der Besatzung durch die Japaner schien der Albtraum ein Ende zu haben. Die USA und Russland rückten in Korea ein, jeweils bis zum 38. Breitengrad. Der Norden war nun kommunistisch. Kim Il Sung, der Begründer der Kim-Dynastie, konnte Stalin überreden, sein Land bei der Aufrüstung zu unterstützen und überfiel am 25. Juni 1950 den Süden. Drei Tage später hatte er Seoul, die Hauptstadt Südkoreas, erobert. Die UN-Truppen unter der Führung der Amerikaner griffen ein und konnten die Nordkoreaner bis fast zur chinesischen Grenze zurückdrängen. Daraufhin griff China in den Konflikt ein und die Amerikaner mussten sich wieder bis hinter den 38. Breitengrad zurückziehen. Als der Krieg 1953 endete, lag Korea fast vollständig in Trümmern. Der 38. Breitengrad bildet bis heute die Grenze zwischen den beiden Ländern. Offiziell befindet sich Nordkorea noch immer im Krieg mit dem Süden.
Erst 1988 wurde Südkorea nach langen Jahren unter verschiedenen diktatorischen Regierungen demokratisch. Das Land trat den Vereinten Nationen bei und man versuchte, auch zum Nachbarland freundschaftliche Beziehungen aufzubauen. Bereits in den 60-er Jahren wuchs die Wirtschaftskraft Südkoreas sprunghaft an. Mischkonzerne unter familiärer Leitung wie Samsung, LG (damals Goldstar) oder Hyundai wurden gegründet. Wurden 1970 noch Exporte im Wert von 835 Millionen Dollar getätigt, so stieg dies 2010 auf 466 Milliarden Dollar an. Dabei handelt es sich neben hochwertigen Elektronikgütern auch um Autos oder Schiffe. In Nordkorea hingegen wurde weiter, wie in der Sowjetunion, auf Planwirtschaft gesetzt. Mit Beginn des Koreakrieges 1950 wurde das Land wirtschaftlichen Sanktionen unterworfen, die bis heute nicht aufgehoben wurden. Zwar gelang es Nordkorea, unter anderem durch massive Hilfen der Sowjetunion, das Land nach dem Krieg wieder aufzubauen und auch sich wirtschaftlich weitgehend zu erholen, doch durch ein massives Militarisierungsprogramm, welches Schätzungen zufolge zwischen 25 und 40 Prozent des Bruttoinlandsproduktes beträgt sowie dem Preisverfall von Zink und Blei, die zu den Hauptexportgütern zählen, stiegen die Schulden im Ausland massiv an. Durch den Zusammenbruch des Ostblocks wurde die Krise noch verschärft. Mehrere Naturkatastrophen und Missmanagement taten ihr übriges, um das Land wirtschaftlich gesehen ins Chaos zu stürzen.
Die Kim-Dynastie und das Atomwaffenprogramm
Seit 1948 regiert in Nordkorea die "Kim-Dynastie". 1948 ließ sich Kim Il Sung zum Regierungschef ausrufen und war ein enger Verbündeter Stalins. Er herrschte bis 1994 und wird als "ewiger Präsident" bezeichnet. Nach seinem Tod 1994 kam sein Sohn Kim Jong Il an die Macht. Er führte die Regierung mit ähnlich harter Hand wie sein Vater fort. Seit 2011 ist sein drittältester Sohn Kim Jong-un an der Macht. Somit wird das Land in dritter Generation von ein und derselben Familie beherrscht.
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Unter Kim Jong Il begann das Land, massiv aufzurüsten. Unter ihm wuchs die Armee zur viertgrößten weltweit. Im Jahr 2006 ließ er die erste Atombombe testen. Zuvor war das Land aus dem Atomwaffensperrvertrag ausgeschieden. Mit der UN-Resolution 1718 vom 14.10.2006 verurteilte der UN-Sicherheitsrat den Atomtest und belegte Nordkorea mit weiteren Sanktionen. Nordkorea bezeichnete diese Resolution als Kriegserklärung. In Gesprächen sicherte das Land allerdings zu, sein Atomwaffenprogramm schrittweise zu beenden, doch zündete Nordkorea am 25.05.2009 einen weiteren atomaren Sprengkopf. Noch am selben Tag verurteilte der IN-Sicherheitsrat den Test. Doch bereits am nächsten Tag zeigte Nordkorea, dass es sich davon nicht beeindrucken ließ und testete Kurzstreckenraketen. Damit verletzte das Land in wesentlichen Teile die Resolution von 2006. Nach dem Tod von Kim Jong Il führte dessen Sohn die Aufrüstung weiter fort. Am 12.12.2012 wurde erstmals eine Langstreckenrakete getestet, gefolgt von einem Atomwaffentest am 12.02.2013. Somit wurde eine erneute Eskalationsspirale in Gang gesetzt. Kim Jong-un drohte im weiteren Verlauf mit einem Präventionsschlag gegen die USA und ließ das Atomwaffenprogramm weiter ausbauen. 2016 und 2017 folgten Tests mit zwei Wasserstoffbomben sowie von über 20 Raketen, darunter auch eine Interkontinentalrakete, welche Nordamerika erreichen könnte.