Neuer Roman von Martin Beyer: in die Finsternis gestolpert
Autor: Christoph Hägele
Bamberg, Mittwoch, 21. August 2019
Hart gingen die Juroren beim Ingeborg-Bachmann-Preis mit dem Text von Martin Beyer ins Gericht. Jetzt liegt mit "Und ich war da" der gesamte Roman des Bamberger Autors vor. Was bleibt von den Vorwürfen?
Noch bevor es überhaupt in den Buchgeschäften stand, besaß Martin Beyers "Und ich war da" bereits eine Geschichte und einen Ruf. Beim Wettbewerb um den Ingeborg-Bachmann-Preis in Klagenfurt hatte der Bamberger Autor im Juni ein Kondensat seines damals noch unveröffentlichten Romans vorgelesen. Das Urteil der Jury glich einer Vernichtung. Nur zwei der sieben Juroren hielten zu Beyer. Die anderen sprachen von einem literarischen Missgriff, von einer moralischen Verfehlung gar.
Wenn jetzt "Und ich war da" Ullstein Verlag, 182 Seiten, 20 Euro) in seiner Gesamtheit vorliegt, dann bietet sich dem Leser die Gelegenheit, die Argumente der Jury abzuwägen und auf sich wirken zu lassen. Zu ihrer schroffen Ablehnung herausgefordert hatte die Klagenfurter Juroren besonders, dass Beyer seine Hauptfigur zum Assistenten macht bei der Hinrichtung von Sophie und Hans Scholl. Beyer, so lautete der Vorwurf, missbrauche die Mitglieder der Weißen Rose und mit ihnen den Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime als schmückendes Beiwerk.
Erlernte Hilflosigkeit
Wer Beyers Roman jetzt in die Hände nimmt, der liest lange nichts von der Weißen Rose. "Und ich war da" handelt nicht von den Geschwistern Scholl und auch nicht von dem Scharfrichter Johann Reichhart. Der Roman handelt von dem oberbayerischen Bauernbuben August Unterseher.
Der heruntergekommene Hof seines Vaters beraubt ihn seiner Kindheit und Jugend. Neben dem väterlichen Arbeits- und Strafregime schneidet mit der Hitlerjugend eine zweite Instanz tief in die Selbstbestimmung von August Unterseher ein.
Auf dem väterlichen Hof und in der Hitlerjugend lernt er, dass sein Wollen und Handeln keine die Wirklichkeit formende Kraft besitzen. Was er will und tut, zählt nicht. Beides bricht sich am Willen anderer. Also lässt August Unterseher das Wollen und Handeln sein. Psychologen sprechen hier von "erlernter Hilflosigkeit".