Neuer Name für Kita «Anne Frank»? - «Fatales Signal»
Autor: dpa
, Montag, 06. November 2023
Die Kita «Anne Frank» in Sachsen-Anhalt will sich womöglich umbenennen. Vor dem Hintergrund des verheerenden Terrorangriffs auf Israel stoßen die Überlegungen auf harsche Empörung und Kritik.
Im Nahen Osten eskaliert die Gewalt, in Deutschland blickt die Politik mit Sorge auf den wachsenden Antisemitismus. Eine Namensänderung einer Kita in Sachsen-Anhalt würde in dieser Gemengelage geräuschlos an der Öffentlichkeit vorbeiziehen, wäre es irgendein Name.
Doch Überlegungen in Tangerhütte, der städtischen Kita «Anne Frank» im Zuge eines neuen pädagogischen Konzepts einen neuen Namen zu geben, sorgen vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse für deutliche Kritik - und die fällt bemerkenswert einhellig aus. Das Entfernen des Namens «Anne Frank» passe momentan «nicht in die Zeit», sagte Sachsen-Anhalts Antisemitismusbeauftragter Wolfgang Schneiß.
Anne Frank wurde 1929 als Kind jüdischer Eltern in Frankfurt am Main geboren. Ihre Familie flüchtete 1933 vor den Nationalsozialisten in die Niederlande. Dort versteckte sie sich von 1942 bis 1944 in einem Hinterhaus. In dieser Zeit schrieb Anne Frank ein Tagebuch, das zu den meistgelesenen Werken der Weltliteratur gehört. 1945 starb Anne Frank im Alter von 15 Jahren im Konzentrationslager Bergen-Belsen.
«Haben uns nicht mit dem Vermächtnis von Anne Frank beschäftigt»
In Tangerhütte könnte «Anne Frank» nun dem Namen «Weltentdecker» weichen - sollte es zur Änderung kommen. Nach Angaben des Bürgermeisters Andreas Brohm (parteilos) läuft die Diskussion darüber schon länger. Nachdem man ein pädagogisches Konzept für die Kita mit «fundamentalen Änderungen» erarbeitet habe, habe sich die Frage gestellt, wie man diese Veränderungen auch nach außen sichtbar machen könne, sagte Brohm. «Wir haben uns mit der Kita auseinandergesetzt. Wir haben uns nicht mit dem Vermächtnis von Anne Frank beschäftigt.» Er stellte klar, dass noch nichts entschieden sei. «Die Diskussion hat nun eine neue Dynamik bekommen und muss nun weiterlaufen.»
Das Kuratorium der städtischen Einrichtung hatte sich für die Änderung ausgesprochen. Nach Angaben der Magdeburger «Volksstimme» sei der Wunsch, den Namen zu ändern, von Eltern und Mitarbeitern der Kita gekommen. Der neue Name sei kindgerechter, die Geschichte der Anne Frank gerade für kleine Kinder schwer fassbar. «Wir wollten etwas ohne politische Hintergründe», wird die Kita-Leitung in der «Volksstimme» zitiert.
Es gebe sehr wohl Möglichkeiten - auch für Kinder -, die Geschichte von Anne Frank aktuell abzubilden, entgegnete der Antisemitismusbeauftragte Schneiß. «Man kann das sehr wohl vermitteln und gerade in der Migrationsgesellschaft muss man das sogar vermitteln.» Man müsse sich nur um Möglichkeiten bemühen und die geplante Namensänderung noch mal diskutieren.
«Fatales Signal»
Die Bildungsstätte Anne Frank bezeichnete die mögliche Namensänderung als fatales Signal. Dies gelte gerade angesichts des wachsenden Antisemitismus in allen Teilen der Gesellschaft, erklärte Direktorin Deborah Schnabel in Frankfurt. Die Umbenennung trüge «zu einer Unsichtbarmachung von jüdischem Leben und jüdischen Opfergeschichten bei, den Grundlagen unserer Erinnerungskultur».