Neuer Fragebogen für Blutspender: Fragen nach Sexualpartner und Sexualpraxis - starke Ausschlusskriterien
Autor: Agentur dpa
Deutschland, Sonntag, 03. Sept. 2023
Die Bundesärztekammer hat eine neue Regelung zum Blutspenden auf den Weg gebracht. Ziel war es, homosexuelle Menschen nicht mehr zu diskriminieren. Für die neuen Regeln hagelt es aber auch Kritik.
Vielen homo- und bisexuellen Männern war es bislang aufgrund ihrer sexuellen Orientierung nicht möglich, in Deutschland Blut zu spenden. Künftig soll dieses Kriterium bei der Risikobewertung keine Rolle mehr spielen. Das sieht eine erneuerte Richtlinie der Bundesärztekammer vor, die am Montag in Kraft tritt. Ab wann genau die neue Regelung in der Praxis angewendet wird, hängt einem Sprecher zufolge davon ab, wie schnell die Blutspendedienste auf einen neuen Fragebogen umstellen.
Die Änderungen seien im Einvernehmen mit dem Paul-Ehrlich-Institut sowie unter Beteiligung des Bundesgesundheitsministeriums und des Robert Koch-Instituts erfolgt, so der Sprecher. Unter anderem Schwulenverbände hatten die bisherige Praxis als diskriminierend bewertet. Aber auch an den neuen Regeln üben sie deutliche Kritik - sie würden die meisten schwulen Männer weiterhin ausschließen.
Was ändert sich mit der neuen Richtlinie?
Um Diskriminierung zu verhindern, erfolgt die Risikobewertung von Blutspenden künftig unabhängig von der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität. Daher werden Spendeninteressierte nun nicht mehr nach ihrer sexuellen Orientierung, sondern nach der Anzahl der Sexualpartner und der Sexualpraxis befragt, wie Johannes Oldenburg, Arzt und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer, der Deutschen Presse-Agentur erklärte. Auch heterosexuelle Menschen müssen also künftig konkret Angaben zu ihrer Sexualpraxis machen. Dabei wird auch speziell nach Analsex gefragt.
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Spezielle Ausschlusskriterien für Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), fallen weg. Außerdem entfällt die Regelung zur Rückstellung von Transmenschen, die Sex mit häufig wechselnden Partnern haben. Zudem gibt es bisherige Altersgrenzen künftig nicht mehr. Auch Über-60-Jährige können damit in Zukunft als Erstspender zugelassen werden.
Wer darf künftig nicht Blut spenden?
Zurückgestellt wird, wer "innerhalb der letzten vier Monate ein Sexualverhalten aufgewiesen hat, das ein deutlich erhöhtes Übertragungsrisiko für durch Blut übertragbare schwere Infektionskrankheiten birgt". Dazu gehört demnach etwa Sex mit insgesamt mehr als zwei Personen in diesem Zeitraum und Sex mit einer neuen Person, wenn dabei Analverkehr praktiziert wurde. Auch Sexarbeit und deren Inanspruchnahme sowie Sexualverkehr mit einer Person, die mit Hepatitis B, Hepatitis C oder HIV infiziert ist, gilt als risikobelastetes Verhalten. Ziel der Risikoanalyse ist es, die Übertragung einer Infektion auf den Empfänger einer Blutspende möglichst zu verhindern.
Welche Blutspende-Regeln galten bislang in Bezug auf das Sexualverhalten?
Unabhängig von der Sexualpraxis galt bislang noch als risikoreich, wenn ein Mann innerhalb der letzten vier Monate Sex mit einem neuen Mann hatte. Bei Sexualverkehr zwischen Frau und Mann wurde hingegen für vier Monate nur zurückgestellt, wer "häufig wechselnde Partner/Partnerinnen" hatte.
Was ist Auslöser für die Änderung?
Im März beschloss das Parlament, "eine unvertretbare, medizinisch unnötige Diskriminierung" homosexueller Männer bei Blutspenden zu beseitigen, wie es Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nannte. Das Gesetz gab der Bundesärztekammer eine entsprechende Änderung der Richtlinie vor. Im Transfusionsgesetz wurde dafür festgelegt, dass die sexuelle Orientierung bei der Bewertung des Risikos, das zu einem Ausschluss oder einer Rückstellung von Blutspenden führt, nicht berücksichtigt werden darf. Eine Einschätzung solle aber nach dem "individuellem Sexualverhalten der spendewilligen Person" möglich bleiben.