Muss Berlin noch einmal wählen - und wenn ja, wie viele?
Autor: Von Marco Krefting, Verena Schmitt-Roschmann und Andreas Heimann, dpa
, Dienstag, 19. Dezember 2023
Corona, Marathon und schlechte Organisation: Der Wahltag in Berlin im September 2021 war von Pannen überschattet. Das Abgeordnetenhaus wurde schon neu gewählt. Nun geht es um die Bundestagswahl.
Wegen zig Wahlfehlern muss die Bundestagswahl 2021 in Berlin in gut einem Fünftel der 2256 Wahlbezirke wiederholt werden. Als Datum dafür nannte Landeswahlleiter Stephan Bröchler am Dienstag im Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe den 11. Februar 2024. Da die Ampel-Koalition im Bundestag eine deutliche Mehrheit hat, dürfte sich an den Machtverhältnissen im Parlament nicht grundlegend etwas ändern. Auch die Linke und die zum «Bündnis Sahra Wagenknecht» gewechselten Politiker atmen auf. Einzelne Abgeordnete könnten aber ihren Job verlieren - und die CDU will die Teilwiederholung zu einer Abstimmung über den Kurs der Ampel machen.
Das Bundesverfassungsgericht hatte die chaotischen Abläufe am 26. September 2021 in der Bundeshauptstadt auf mandatsrelevante Wahlfehler hin überprüft - also auf solche, die Einfluss auf die Verteilung der Sitze im Parlament haben können. Es kam zu dem Schluss, dass die Bundestagswahl in 455 Wahlbezirken samt der zugehörigen Briefwahlbezirke wiederholt werden müsse - und zwar mit Abgabe der Erst- und Zweitstimme.
Der Bundestag habe das Wahlgeschehen unzureichend aufgeklärt, befand der Zweite Senat in Karlsruhe. Er habe Niederschriften einzelner Wahlbezirke nicht ausgewertet. Das habe das Gericht nachgeholt, erläuterte die Vorsitzende Richterin Doris König. Demnach wurde die Wahl in 31 Wahlbezirken mehr für ungültig erklärt, als der Bundestag 2022 beschlossen hatte. Betroffen sind alle zwölf Berliner Wahlkreise in mehr oder weniger großem Umfang.
Lange Liste von Pannen am Wahltag
Der Wahltag am 26. September 2021 war in vielen Berliner Wahllokalen chaotisch verlaufen: Menschen mussten lange warten und Schlange stehen, Stimmzettel waren falsch oder fehlten ganz. Vorübergehend mussten Wahllokale schließen oder blieben bis weit nach 18.00 Uhr geöffnet - dem Zeitpunkt, an dem die Stimmabgabe eigentlich vorbei sein sollte. Dann gibt es in der Regel erste Prognosen zum Ergebnis.
Beim Bundestag wurden 1713 Einsprüche gegen die Bundestagswahl im Land Berlin erhoben, darunter auch einer des Bundeswahlleiters. Der Bundestag beschloss eine teilweise Wiederholungswahl mit den Stimmen der Ampel-Fraktionen SPD, Grüne und FDP. Aus Sicht der CDU/CSU-Fraktion war der Beschluss aber rechtswidrig, unter anderem weil der Bundestag die Wahl in sechs vom Bundeswahlleiter angefochtenen Wahlkreisen nicht insgesamt für ungültig erklärt habe. Daher reichte sie in Karlsruhe eine Wahlprüfungsbeschwerde ein.
Gericht prüfte mögliche Wahlfehler
Das höchste deutsche Gericht urteilte nun, dass der Beschluss im Ergebnis überwiegend rechtmäßig sei. Es monierte aber im Detail nicht berücksichtigte Wahlfehler. Die von der Unionsfraktion geforderte Ausweitung der Wahlwiederholung gehe allerdings zu weit, da nicht in allen Fällen aufklärbar sei, ob Wahlfehler vorgelegen hatten.
Als Wahlfehler wertete das Gericht unter anderen, dass Wahlberechtigte Stimmzettel eines anderen Wahlkreises bekamen und eine zeitweilige völlige Schließung eines Wahllokals. Differenzierter betrachtete der Senat überlange Wartezeiten und Stimmabgaben nach 18.00 Uhr, die nicht in jedem Fall Wahlfehler seien.