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Mit "Funny Girl" im siebten Musicalhimmel


Autor: Monika Beer

Nürnberg, Sonntag, 03. November 2013

Katharine Mehrling begeistert im Opernhaus Nürnberg als Broadway-Star Fanny Brice in der Neuinszenierung von "Funny Girl". Und mit ihr als eleganter Bühnenpartner Bernhard Bettermann.
Katharine Mehrling als Fanny Brice und Bernhard Bettermann als Nick Arnstein in "Funny Girl" Alle Szenenfots: Jutta Missbach/Staatstheater Nürnberg


Bei Musicals hat Staatstheaterintendant Peter Theiler einfach ein Händchen, egal, ob er auf bewährte oder neue Leitungsteams zurückgreift, ob er Mitwirkende aus seinem Haus integriert oder gleich ein komplettes Gasten semble engagiert. Mit der Nürnberger Erstaufführung von "Funny Girl" gibt es also einen neuen Hit am Opernhaus. Und das Begeisternde daran ist: Wer die Uraufführungs- und oscarpreisgekrönte Film-Fanny Barbra Streisand im Hinterkopf hat, darf erleben, wie die leibhaftige Katharine Mehrling das mit bravouröser sängerdar stellerischen Energie wegfegt.

Dabei misst dieser aus Hessen stammende, unter anderem in London und New York ausgebildete Musicalstar nur einen Meter fünfundfünzig.

Hat aber eine Stimme, die die einschlägigen Vorbilder in Timbre, Volumen und Ausdrucksvielfalt nicht nur aufgreifen kann, sondern zu eigener Größe verschmilzt. Ob als rotzige Göre, verführerisches und komisches Show-Girl, Herz-Schmerz-Frau oder Grande Dame: die Mehrling verkörpert und singt die unterschiedlichen Rollen des jüdisch-ungarischen Einwandererkinds Fanny Borach alias Fanny Brice so intensiv, dass es einem unter die Haut geht. Und schafft nebenbei 25 Kostümwechsel, als wäre das nichts.

Elegant bis ins Rüschenhemd
Doch nicht nur die Titelprotagonistin ist ein Ereignis. Auch ihr Partner Bernhard Bettermann als Nick Arnstein ist nicht von schlechten Eltern: Zwar kann der auch durch eine TV-Arztserie bekannte Schauspieler bei bestem Willen nicht wirklich singen. Aber er tritt genau so umwerfend gut aussehend, elegant und distinguiert auf, dass bestimmt nicht nur seine Bühnenpartnerin seinem Rüschenhemd verfällt. Je länger der Abend dauert, desto mehr Ähnlichkeiten mit Kinohelden entdeckt man in ihm, angefangen bei Sean Connery, Cary Grant, Charlton Heston und Marlon Brando bis hin zu Henry Fonda.

Übrigens werden die beiden nicht in allen folgenden neunzehn Vorstellungen in Nürnberg zu erleben sein. Ihre Partien und eine weitere Rolle alternierend besetzt - kein Wunder, wenn man bedenkt, dass die zwei Hauptdarsteller dieser Koproduktion 2012 schon bei der Premiere in Dortmund aktiv waren und auch noch gefordert sind, wenn ab Mai 2014 die Aufführungen in Chemnitz folgen. Was den Ansturm auf die Karten sicher nicht verringern dürfte. Denn Musical-Fans werden auch auf Frederike Haas und Tobias Licht neugierig sein. Unter den weiteren zahlreichen Mitwirkenden bestachen am Premierenabend der Allrounder Marc Seitz als Fannys Tanzcoach Eddie Ryan, die souverän einen Frosch im Hals überwindende Marianne Larsen als Fannys Mutter Rose Brice und Richard Kindley als sichtlich geplagter Chef der legendären Ziegfeld-Truppe. Die dafür engagierten Tänzerinnen und Tänzer bringen zusätzlich Schwung und Abwechslung auf die Bühne, die weiteren Chorsolisten ebenso.

Englisch klingt's besser
Regie führte Stefan Huber, dem schon mit "Silk Stockings" und "Sweet Charity" zwei Publikumsrenner gelungen sind. Von seinen drei Arbeiten für Nürnberg ist "Funny Girl" am wenigsten überzeugend, was aber mehr an der Vorlage als an ihm liegt. Das Musical von Isabel Lennart (Text), Jule Styne (Musik) und Bob Merrill (Songtexte) hat etliche dramaturgische Schwächen und mit "People" nur einen richtig großen Ohrwurm. Warum im ersten Teil überwiegend auf Deutsch (von Heidi Zerning), nach der Pause dann überwiegend englisch gesungen wird, will nicht so recht einleuchten und führt seltsamerweise zu unnötigen Verständnisproblemen. Der Musical-O-Ton wäre für die Gesangsnummern einfach authentischer und besser.

Bühnenbildner Harald B. Thor bedient die ständigen Ortswechsel mit einfachen und wenig überraschenden Bildern, dafür schöpft Kostümbildnerin Susanne Hubrich aus dem Vollen und lässt gekonnt nicht nur die Mädels und Jungs der Ziegfeld-Follies stilsicher im amerikanischen Revuekitsch versinken. Besonders ironisch fällt die hurrapatriotische Rat-Tat-Tat-Nummer aus. Fast möchte man glauben, dass Choreograph Danny Costello die Tänzer absichtlich davon abgehalten hat, hier ein Musterbeispiel für synchrone Bewegungen zu sein.

Die musikalische Koordination klappt hingegen bombensicher. Mitglieder der Staatsphilharmonie Nürnberg geben unter Jürgen Grimm gekonnt die geforderte Revue- und Schmalzkapelle, Boris Brinkmann sorgt für einen Übertragungsound, der in den vorderen Parkettreihen zwar laut, aber insgesamt ausgeglichen ist. Es klingt gut, vor allem wenn Katharine Mehrlings Fanny ihren sentimentalen Lovesong aufblühen lässt. Was will man mehr?