Mit bösem Humor dem Schicksal trotzen
Autor: Berthold Köhler
Berlin, Mittwoch, 21. Februar 2018
Wie bei "Don't Worry, He Won't Get Far on Foot" Hauptdarsteller und Geschichte perfekt harmonieren.
Es hat seine Zeit gedauert - aber jetzt hat der Wettbewerb der 68. Internationalen Filmfestspiele in Berlin seinen Publikumsliebling und zugleich einen ernsthaften Kandidaten für einen der Preise, die am kommenden Samstag verliehen werden. Es wird den Freunden überanspruchsvoller Filmkunst nicht gefallen, aber "Don't Worry, He Won't Get Far on Foot" ist der Film, den der bislang flau dahingehende Wettbewerb gebraucht, gesucht und gefunden hat.
Joaquin Phoenix - einer der wenigen echten Hollywoodstars, die heuer den Weg nach Berlin gefunden haben - spielt darin den bekannten amerikanischen Cartoonisten John Callahan, der nach einem schlimmen Autounfall die meiste Zeit seines Lebens an den Rollstuhl gefesselt war.
Herausragende Leistung
Es war der böse, aber grandiose Humor, der Callahan und seine Zeichnungen berühmt gemacht hat. In "Don't Worry, He Won't Get Far on Foot" zeigt Regisseur Gus van Sant (inzwischen mit seinem zehnten Film bei der Berlinale) die Geschichte eine Trinkers, der psychisch an seiner Querschnittslähmung fast zerbricht. Aber eben nur fast. Nicht haargenau entspricht diese Geschichte dem Leben des 2010 verstorbenen John Callahan, ein bisschen muss die Realität eben immer kinotauglich gebogen werden.
So eine Geschichte steht und fällt natürlich mit dem Hauptdarsteller, wobei es inzwischen nicht mehr überrascht, dass Joaquin Phoenix ein Mann für herausragende schauspielerische Leistungen ist. Phoenix, Gewinner des Golden Globe und dreimal für den Oscar nominiert, leidet auf seinem Weg vom saufenden Lebemann zum trockenen Star-Zeichner wie ein Hund - aber er verliert selbst in schwersten Momenten nie die innere Größe. Da passen Geschichte und Darsteller perfekt zusammen.
Filmföderung: Was läuft falsch?
Interessant: "Don't Worry, He Won't Get Far on Foot" ist eine Eigenproduktion von Amazon. Die großen Filmstudios waren vor ein paar Jahren wenig begeistert von der Idee des Rundum-Online-Konzerns, nun auch in die Filmbranche einzusteigen. Inzwischen hat sich der Widerstand gelegt - wohl auch deshalb, weil Amazon zur Überraschung vieler zeigte, dass auch bei seinen Eigenproduktionen auch die Qualität und nicht nur Besucherquantität eine Rolle spielt. Bestes Beispiel war der Oscar-Abräumer "Manchester by the sea" (2017), Gus van Sants neuer Film ist da keinen Deut schlechter.
Der dritte Wettbewerbsfim aus Deutschland, "Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot" von Philip Gröning, löste jedenfalls während der Vorabvorführung vor der eigentlichen Gala am Abend eine wahre Entvölkerung des Fachpublikums aus dem Berlinale-Palast aus. Drei Stunden dauert das naseweis daherschwadronierende Geschwisterportrait, das an die grotesk-hilflose Frühphase des deutschen Autorenfilms erinnert.
Aber die war mit ihren Peinlichkeiten in den mittleren 90-er Jahren Teil der Berlinale. Heute muss ein staatlich kräftig gefördertes deutsches Filmsystem bessere Produktionen der restlichen Filmwelt zeigen können - sonst läuft grundlegend was falsch.