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Kanzler Merz gibt erste Regierungserklärung ab: Das werden seine drei Prioritäten


Autor: Alexander Milesevic, Agentur dpa

Berlin, Mittwoch, 14. Mai 2025

Der frisch gebackene Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) stellt den Menschen in Deutschland sein Regierungsprogramm vor - und erneuert ein Versprechen, das auf die Anfangszeit der Bundesrepublik zurückgeht.
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) spricht bei seiner Regierungserklärung am 14.05.2025 im Plenum des Bundestags.


Update vom 14.05.2025, 16.49 Uhr: Merz wirbt für gemeinsame Kraftanstrengung

Bundeskanzler Friedrich Merz hat in seiner ersten Regierungserklärung eine kollektive Anstrengung aller Bürger in Deutschland gefordert, um das Land wieder nach vorne zu bringen. "Der Staat, das sind wir alle", sagte er im Bundestag. "Wir können alle Herausforderungen, ganz gleich, wie groß sie auch sein mögen, aus eigener Kraft heraus bewältigen."

Konkret kündigte der CDU-Vorsitzende mehr Abschiebungen von Ausländern ohne Bleiberecht an, versprach "Wohlstand für alle" und einen "neuen Generationenvertrag". Ziel sei, dass bis zum Sommer erste Resultate eines Politikwechsels der schwarz-roten Regierung spürbar sein würden.

Merz war am 6. Mai erst im zweiten Wahlgang zum Bundeskanzler gewählt worden. Gut eine Woche nach dem holprigen Start stellte er sein Programm für die Regierungsarbeit mit der SPD vor. Dabei hielt er sich weitgehend an den 144-seitigen Koalitionsvertrag, den er mit den Sozialdemokraten ausgehandelt hat.

Drei Prioritäten: Wohlstand, Sicherheit, Zusammenhalt

Seine Regierung sei sich der großen innenpolitischen und internationalen Herausforderungen bewusst - "nicht zuletzt auch in Bezug auf die öffentlichen Finanzen", sagte der Kanzler. Deutschland sei jedoch robust genug, um die bevorstehenden Herausforderungen zu bewältigen.

Merz nannte drei prioritäre Ziele: Wohlstand, Sicherheit und Zusammenhalt. Er belebte dabei ein Versprechen aus den Anfangsjahren der Bundesrepublik: "Wir wollen regieren, um das Versprechen vom 'Wohlstand für alle' zu erneuern", sagte er gleich zu Beginn seiner Rede. Dieses Versprechen stammt von Ludwig Erhard, der von 1949 bis 1963 Wirtschaftsminister und anschließend drei Jahre Kanzler war und dessen Name eng mit dem sogenannten "Wirtschaftswunder" der Nachkriegszeit verbunden ist. In den 50er Jahren hat er ein Buch mit dem Titel "Wohlstand für alle" verfasst.

Merz betonte zwar, dass Deutschland ein Einwanderungsland sei, kündigte zugleich jedoch mehr Abschiebungen an. "Wir haben zu viel ungesteuerte Einwanderung zugelassen und zu viel gering qualifizierte Migration in unseren Arbeitsmarkt und vor allem in unsere sozialen Sicherungssysteme ermöglicht", sagte er im Rückblick auf die Jahre seit 2015. Mit verschärften Grenzkontrollen und mehr Zurückweisungen werde man nun für mehr Ordnung in der Migrationspolitik sorgen.

Ukraine-Unterstützung wird fortgesetzt

Der Ukraine versprach Merz eine weiterhin kraftvolle Unterstützung. "Dabei ist klar: Wir sind nicht Kriegspartei und werden dies auch nicht werden", versicherte der CDU-Chef. "Aber wir sind eben auch nicht unbeteiligte Dritte oder neutrale Vermittler sozusagen zwischen den Fronten."

Der Westen dürfe sich dabei nicht spalten lassen. "Deshalb werde ich weiter alle Anstrengungen unternehmen, um auch weiterhin größtmögliche Einigkeit zwischen den europäischen und den amerikanischen Partnern herzustellen." Zuletzt war der Eindruck entstanden, US-Präsident Donald Trump könnte Kremlchef Wladimir Putin auf Kosten der Ukraine und gegen den Willen der Europäer bei den Verhandlungen über eine Waffenruhe stark entgegenkommen.

Was Israel betrifft, erneuerte Merz für die schwarz-rote Regierung das Versprechen: "Existenz und Sicherheit Israels sind unsere Staatsräson." Dazu gehöre auch, dass sich die Bundesregierung für einen Waffenstillstand, die Freilassung aller Geiseln und einen schnellen Frieden in der Region einsetze, fügte er hinzu. Man erwarte von der israelischen Regierung zudem eine bessere humanitäre Versorgung der Menschen im Gazastreifen.

Bessere Rahmenbedingungen in der Wirtschaft 

Für die Wirtschaft versprach Merz bessere Rahmenbedingungen: mit Steuererleichterungen, Investitionen in die Infrastruktur und weniger Bürokratie. "Wir können aus eigener Kraft heraus wieder zu einer Wachstumslokomotive werden, auf die die Welt mit Bewunderung schaut", sagte er.

An den deutschen, europäischen und internationalen Klimazielen halte man fest. Man setze dabei aber vor allem auf die Bepreisung des Treibhausgases CO2. "Die Einnahmen daraus werden wir nicht im Staatshaushalt vereinnahmen, sondern gezielt an die Wirtschaft und die Bürgerinnen und Bürger zurückgeben", sagte Merz zu.

Bei den neuen Kreditspielräumen der Bundesregierung mahnte Merz zur Vorsicht. "Wir müssen mit diesen Möglichkeiten äußerst behutsam umgehen, denn diese Schulden lösen Zinszahlungen aus, und sie müssen auch eines Tages wieder zurückgezahlt werden", sagte er. Kredite ließen sich daher nur rechtfertigen, "wenn wir mit diesem Geld dauerhaft und nachhaltig den Wert unserer Infrastruktur steigern und das Leistungsvermögen unseres Landes insgesamt verbessern".

Mindestlohn nicht gesetzlich

Die schwarz-rote Bundesregierung will in dieser Legislaturperiode bis zu 150 Milliarden Euro aus dem schuldenfinanzierten Infrastrukturtopf nutzen. Dieser soll insgesamt mit 500 Milliarden gefüllt werden, ist aber auf zwölf Jahre angelegt.

Den gesetzlichen Vorgaben für die Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro erteilte Merz eine Absage. Die Koalition habe vereinbart, an der unabhängigen Mindestlohnkommission festzuhalten, sagte der CDU-Politiker in seiner Regierungserklärung. Und man halte einen Mindestlohn von 15 Euro im Jahr 2026 angesichts der Tarifentwicklung für erreichbar und wünschenswert. "Aber wir werden ihn nicht gesetzlich festschreiben", betonte Merz.

Damit hielt sich Merz an die Formulierung im Koalitionsvertrag, widersprach aber einem Vorstoß der SPD. Der Sozialdemokrat Matthias Miersch hatte im April darauf hingewiesen, dass 15 Euro Mindestlohn notfalls auch per Gesetz erreichbar seien.

Ursprungsmeldung vom 14.05.2025, 7.53 Uhr: Kanzler Merz gibt erste Regierungserklärung ab

Es wird wohl eine unbequeme Rede: Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) will die Menschen in Deutschland am Mittwoch (14. Mai 2025) in seiner ersten Regierungserklärung auf eine "gewaltige Kraftanstrengung" einschwören, um das Land wieder wettbewerbsfähiger zu machen. Auf dem CDU-Wirtschaftstag gab er am Dienstagabend einen Vorgeschmack darauf, welche Botschaften seine etwa 45-minütige Rede im Bundestag enthalten wird.

"Wir müssen in diesem Land wieder mehr und vor allem effizienter arbeiten", betonte er. "Mit Vier-Tage-Woche und Work-Life-Balance werden wir den Wohlstand dieses Landes nicht erhalten können." Er verwies darauf, dass die Verankerung der 40-Stunden-Woche im Arbeitszeitgesetz im Koalitionsvertrag mit der SPD vereinbart sei. Das müsse nun "ziemlich bald" umgesetzt werden.

Merz nannte auch die Senkung der Energiepreise und den Abbau der Bürokratie als besonders dringliche Bereiche der Regierungsarbeit. Dass er und seine 17 Bundesministerinnen und -minister nur wenig Regierungserfahrung mitbringen bezeichnete er als "große Chance, in diesem Lande wirklich etwas zu verändern". Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) ist das einzige Kabinettsmitglied, das schon vorher einer Bundesregierung angehört hat.

Merz war am 6. Mai erst im zweiten Wahlgang zum Bundeskanzler gewählt worden. Gut eine Woche nach dem verstolperten Start wird er heute ab 13.00 Uhr sein Programm für den Start der Regierungsarbeit mit der SPD vorstellen. Er dürfte sich dabei am Koalitionsvertrag entlang bewegen, aber wohl auch einige neue Akzente setzen. Anschließend werden bis Freitag alle Ministerinnen und Minister ihre Pläne vorstellen. Die neue Regierung wird in der Startphase vor allem mit vier Herausforderungen befasst sein:

Ukraine und USA:

Schon in den ersten Tagen der Kanzlerschaft von Merz hat sich gezeigt, dass er angesichts der Weltlage einen großen Teil seiner Arbeit der Außenpolitik widmen wird. Er hat sich vorgenommen, Deutschland wieder eine echte Führungsrolle in Europa zu geben. Schon nach zwei Tagen im Amt hat er mit US-Präsident Donald Trump telefoniert und sich erstaunlich gut mit ihm verstanden.

Er war auch eine treibende Kraft bei der ersten größeren diplomatischen Initiative der Europäer zur Beendigung des Ukraine Kriegs. Was aus seiner Reise mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, dem britischen Premierminister Keir Starmer und dem polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk nach Kiew am Ende wird, ist zwar noch völlig offen. Aber es ist zunächst einmal etwas in Bewegung geraten. 

Migration:

Ein Wahlkampfversprechen der Union hat Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) schon umgesetzt. Er hat die Bundespolizei angewiesen, an den Landgrenzen künftig auch solche Ausländer ohne Visum zurückzuweisen, die in Deutschland Asyl beantragen wollen. Das betrifft nicht alle Asylsuchenden. Beispielsweise sollen hochschwangere Frauen oder Mütter mit Kleinkindern nicht abgewiesen werden.

Andere geplante Reformen in der Migrationspolitik und im Staatsangehörigkeitsrecht werden dagegen noch mindestens einige Wochen auf sich warten lassen, da hier Gesetzesänderungen notwendig sind. Das gilt etwa für die Abschaffung der von der Union als "Turbo-Einbürgerung" geschmähten Möglichkeit für besonders gut integrierte Zuwanderer, bereits nach drei Jahren Deutsche zu werden. 

Finanzen:

Oberste Priorität für Finanzminister Lars Klingbeil hat der Haushalt 2025. Der SPD-Politiker will die Pläne Ende Juni durchs Kabinett bringen, im Idealfall vor der Sommerpause auch einmal im Bundestag beraten. Zwar wäre die Regierung auch ohne Etat erstmal handlungsfähig - doch neue Projekte könnten nur über Umwege realisiert werden. 

Ebenfalls schon in der Schublade: Ein Gesetz zur Umsetzung des 500 Milliarden Euro schweren Schuldentopfs für Infrastrukturinvestitionen. Gerade haben sich die Bundesländer geeinigt, wie sie ihren 100-Milliarden-Anteil untereinander aufteilen wollen. Doch Probleme drohen in Brüssel: Experten zufolge riskiert Deutschland mit dem historischen Kreditpaket einen Verstoß gegen die europäischen Schuldenregeln. Weniger Probleme dürften die geplante Senkung der Stromsteuer und die neuen Abschreibungsregeln für Unternehmen verursachen. Beide sind wichtig zur Entlastung der Wirtschaft und für eine bessere Konjunktur - und sie dürften zu den ersten Maßnahmen aus Klingbeils Haus zählen. 

Wirtschaft:

Im Wahlkampf war Noch-Wirtschaftsminister Robert Habeck eine beliebte Zielscheibe von Kritik aus Unions-Reihen. Der Grüne könne es einfach nicht, hieß es. Nun muss die schwarz-rote Regierung mit ihrer CDU-Ministerin Katherina Reiche zeigen, dass sie es besser macht. Die Voraussetzungen allerdings sind alles andere als rosig: Der Handelskonflikt mit den USA belastet die Konjunktur, die Energiepreise sind hoch, die Unternehmen ächzen unter bürokratischen Vorgaben.

Ökonomen gehen für das laufende Jahr von einer stagnierenden oder sogar schrumpfenden Wirtschaft aus.  Die neue Wirtschaftsministerin will nun vor allem eine "pragmatischere" Wirtschaftspolitik machen: "Nachdem Klimaschutz in den vergangenen Jahren betont, vielleicht sogar überbetont wurde, müssen wir die Versorgungssicherheit und die Bezahlbarkeit wieder stärker ins Zentrum rücken."

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